- Politik
- Rechtsextreme Literatur im Internet - eine seltsame Werbeidee von buecher.de
Geschäfte ohne Grenzen
Von Martin Kegler
Was Fußballnationalspieler lesen, ist in der Regel ihre Privatsache. Thomas Berthold vom VfB Stuttgart hat seine Leidenschaft für Bücher jedoch öffentlich gemacht und im Juni in verschiedenen Nachrichtenmagazinen und Zeitungen für die Internetbuchhand-?ilungnbuecher.de geworben.,' Sein*>Lieblingsbuch sei, heißt es in dieser Annonce, »Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert« des gerichtsnotorischen Volksverhetzers Jan Udo Holey. Unter dem Pseudonym Jan van Helsing behauptet er Haarsträubendes: Die Juden hätten Deutschland 1933 den Krieg erklärt, und selbst die Nazis seien von jüdischen Geheimbünden unterwandert gewesen.
Ein Kultbuch der rechten Szene, das der Verfassungsschutz 1996 bundesweit beschlagnahmen ließ und dessen Verkauf und Vertrieb seitdem in Deutschland verboten ist. Auch buecher.de führt den Titel nicht im Katalog. Um so verwunderlicher,
daß in sicher nicht billigen Anzeigen dafür geworben wird. Man habe den Prominenten nicht vorschreiben wollen, welches Buch sie empfehlen, sagte Rolf von Rheinbarben, Pressesprecher des Internethandels; es sei ein bedauerliches Versehen gewesen. Auch Thomas Berthold hätte den Titel noch gar nicht gelesen, sondern erst kürzlich von einem Freund geschenkt bekommen und nur aus Verlegenheit als Lieblingstitel genannt. Das Ganze werfe kein schlechtes Licht auf buechef.de 1 , sondern ' 'eher auf 'den“wohl“ doch nicht so belesenen Fußballer.
Doch jeden halbwegs informierten Buchhändler hätte der Name Jan van Helsing stutzig machen müssen, zumal im Zusammenhang mit dem nicht ganz unverdächtigen Titel, der seinerzeit immerhin über 100 OOOmal verkauft worden war. Auch daß ein buchhändlerisches Unternehmen nicht einmal nachprüft, ob das Buch, das ihr »Promi« empfiehlt, überhaupt lieferbar ist, ist nicht nur äu-ßerst peinlich, sondern auch unprofessionell. Im übrigen sei das Buch lieferbar, be-
eilt sich der Pressesprecher zu informieren, zwar nicht in der verbotenen deutschen Fassung, aber in Französisch und Englisch. Die Werbeanzeige habe man nach den ersten Beschwerden aber unverzüglich zurückgezogen, um nicht in den Ruch rechter Propaganda zu geraten.
Man muß buecher.de zugute halten, daß es über ihre Homepage vergleichsweise schwierig ist, an die in Deutschland erschienenen fremdsprachigen Fassungen zu gelangen. Bei der Konkurrenz, dem vom traditio'nsreichen Grossisten KNO betriebenen buchkatalog.de, findet man sie ohne Umwege, und die Internetbuchhandlung »bol« präsentiert sogar den verbotenen Titel - zwar mit dem Hinweis »nicht lieferbar«, dafür mit einem Feld für »Rezensionen«, in denen sich die Fans des Autors nach Herzenslust und offenbar unzensiert austoben.
Beim Branchenprimus »amazon« findet sich in einer ähnlichen Rubrik zur englischsprachigen Ausgabe immerhin auch eine kritische Leserstimme. Dafür weist »amazon automatisch« auf weitere
rechts-esoterische Titel hin, die Freunde dieses Buches unbedingt auch lesen sollten.
Gewiß doch: Zensur findet nicht statt, und ein Internetbuchhandel hat das Recht, alle Bücher zu verkaufen, die nicht auf dem Index stehen. Doch entgegen der Mär von der Unbegrenztheit des Internets, findet man in den virtuellen Buchkatalogen bei weitem nicht alles, sondern nur die Bücher, die nach den Kriterien der jeweiligen Buchhandlung dort aufgenommen, besprochen und eingescannt wurden. Theoretisch wissen die Buchhandlungen also was sie tun, wenn sie, wie buecher.de Adolf Hitlers »Mein Kampf« in gleich zwei US-amerikanischen Fassungen und einem Import aus Großbritannien anbieten - übrigens als einziger der gro-ßen Internet-Buchhändler. Das Geschäft kennt keine Grenzen, erst recht nicht im Internet, wo der Verkauf weitgehend anonym stattfindet, und nicht mit peinlichen Rückfragen zu rechnen ist, wenn man das eine oder andere rechte Buch durch ein paar Mouse-Clicks bestellen möchte.
Daß die rechte Buchempfehlung des Fußballprofis ein Versehen war, mag man glauben, wenn auch nur aus Mangel an Beweisen. Doch keine der erwähnten Internetbuchhandlungen hat offenbar grö-ßere Probleme, rechte Bücher in ihr umfangreiches Sortiment aufzunehmen wenn sie sich denn gut verkaufen.
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