- Politik
- »Satiricum« Greiz hält Rückschau auf Karikaturen aus der Zeit der DDR
»Hurra, Humor ist eingeplant«
Sie muss ein bequemer Platz gewesen sein, diese DDR: Drall und gut gepolstert, schwarz-rot-gold-bezogen und Ähren bekränzt steht ihr Platzhalter im Greizer Sommerpalais und wartet auf Besetzer. Ein Sofa steht im Museum. Karikaturen hängen ebendort. Was kann das schon für ein Museum sein, das Sitzmöbel und flinke Pressekulis in den Mittelpunkt rückt? Doch das Sofa, es ist kein bequemer Ort, um die Zeichnungen zu betrachten, und die Zeichnungen selbst sind viel unbequemer als mancher deren Schöpfern heute zugestehen will: 170 »Karikaturen aus der Zeit der DDR« zeigt das »Satiricum« im thüringischen Greiz.
Die Rückschau hat ihren Reiz, ist sie doch eng mit der Begründung des »Satiricums« als nationaler Sammlungs- und Ausstellungsort für Karikatur der Gegenwart vor 25 Jahren verknüpft. Es war im Übrigen die Zeit, in der das ND jegliche politische Karikatur abschaffte. Die Greizer Institution - von Dr. Werner Becker, dem damaligen Leiter der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung, zu der auch historische Karikaturen gehörten, und Harald Kretzschmar begründet wurde fortan zum zweiten Standbein nicht weniger DDR-Zeichner, denen der »Eulenspiegel« als Satire-Organ der SED noch immer zu brav war. Denn die spitze Feder, die entlarvt, hier in Greiz, im Süden der Republik und fernab der Hauptstadt,
fand sie ihren vom Kulturfonds finanzierten Hort. Frei nach den Losungen »Hurra, Humor ist eingeplant« und »Mit Kritik geht alles besser« - Planwirtschaft sei dank - durfte die dem Volk »staatlich verordnete« Karikatur gelegentlich Neuerer-Unwesen, Ersatzteil-Engpässe oder die alltäglichen Mangelerscheinungen des real existierenden Sozialismus anprangern, nie jedoch nach deren Ursachen fragen. Dass man in Greiz manchmal mehr durfte, wussten die Besucher der seit 1980 veranstalteten Biennalen. Doch auch was nicht an der Wand hing, wurde genau registriert: Die politische Karikatur suchte man hier vergebens. Auch im Jahr 1999 wird man kaum fündig: Gerade noch darf sich Erich Honecker beim Besuch der Azteken-Pyramide nach dem Verbleib der Spitze erkundigen (Heinz Behling, 1982) und Kurt Hager sich die Umsetzung von Michail Gorbatschows neuer Politik im DDR-Wohnungsbauprogramm verbitten (Otto Damm, 1988).
Den Unterschied zur real existierenden Satire-West muss man in Greiz nicht lange suchen: nur dass der so verhasste und doch verbreitete »Comedy-Unsinn« (Harald Kretzschmar) inzwischen auch an die Tür von Neu-Fünfland geklopft und es sich nun auf der DDR-Couch bequem gemacht hat. »Was einmal die Qualität ausmachte, waren Zeichnung, Aussage und grobe Idee«, sagt Ioan Cozacu, als NEL eine der Entdeckungen der Greizer Vor-Wende-Biennalen. Als Pressezeichner rechnet er sich nun selbst zu denen, die sich allein die
»grobe Idee, die man auch in fünf Minuten umsetzen kann« bewahrt haben. Die feine Symbolik eines »Sprechenden Verbotszeichens« mit Sackgassen-Signet im Kragen (1987) ist nicht mehr gefragt.
Den röhrenden Hirsch als »running gag« der Kunstgeschichte verpflanzt Heinz Behling 1984 in eine »Große Landschaft mit Kippe«. Widersprüche und Brüche kennzeichnen die Bild-Inhalte der Berufs-Satiriker. »Komische und kritische Zeichnungen aus der DDR sehen anders aus«, schreibt Harald Kretzschmar in seinem Vorwort zum wunderbaren Katalog.
Anders, »weil die Leute und die Verhältnisse anders sind als anderswo«. Anders auch, weil die Zeichner künstlerischen Ansprüchen folgen. Kretzschmar, bis 1989 Vorsitzender der Sektionsleitung der Karikaturisten und Pressezeichner im Verband Bildender Künstler der DDR, muss es wissen: »Damit sicherten wir uns ab gegen allzu vordergründige politische Krittelei.« Im »Eulenspiegel« sind die Aufgaben klar verteilt: Heinz Jankofsky und Henry Büttner sind der Abteilung »Humor« zugeordnet, Heinz Behling und Peter Dittrich kümmern sich neben anderen ums Politische. Der Wende-Bruch ist unvermeidlich: Dittrich schafft die Umstellung nicht, seine Zeichnungen verschwinden bald aus dem nun unter anderen Vorzeichen erscheinenden Blatt. Zu Jankofsky und Büttner gesellen sich dagegen die »jungen Wilden« wie Andreas Prüstel und NEL (Ioan Cozacu). An die Stelle von Achim Jordans phantastisch farbiger »Abteilung Schönfärberei«, die »Jugendarbeit« in »Extrablau«, »Neuererwesen« gelb und »Kostensenkung« grün schreibt (1978), tritt nun Prüstels »Der Lotse sinkt das verlassene Schiff« von 1996. Natürlich bekommt der Lotse jetzt auch ein Gesicht: das Helmut Kohls, natürlich.
Bei aller nahe liegenden Komik markiert die Rückschau des Greizer »Satiricums« auf 50 satirische Jahre auch den Abschied vom Genre der Ausstellungs-Karikatur, wie es wohl nur die DDR kultivierte. Ein nicht uneitles Gewerbe, wie NEL sagt. Er selbst habe die Karikatur immer mehr als Medium denn als grafische Kunst verstanden - was jedoch kein Widerspruch sein muss, wie die »Karikaturen aus der Zeit der DDR« zeigen. Schon mit der III. Triennale, die ab Juni 2000 im Greizer Sommerpalais ganz im Zeichen politischer Karikatur stehen soll, wird dem Lauf der Zeit Rechnung getragen.
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