Großaufgebot der Polizei belagert Geiselnehmer in Aachen
Nicht identifizierter Bandit hat seit Montag drei Personen in seiner Gewalt
Zu einer wahren Nervenschlacht entwickelte sich am Dienstag in Aachen eine Geiselnahme, die am Montag im unweit gelegenen Würselen begonnen hat.
Aachen (dpa/ND) Fast 30 Stunden waren am Dienstagnachmittag bereits vergangen, nachdem ein wahrscheinlich schwer bewaffneter Bandit zwei Männer und eine Frau im Alter zwischen 30 und 41 Jahren als Geiseln genommen hatte. Psychologisch geschulte Experten der Polizei waren in einen Verhandlungsmarathon mit dem Gangster eingetreten. Er werde, so die Polizei, auf keinen Fall zu seinen eigenen Bedingungen - mit Waffen und Geiseln - abziehen. »Wenn, dann wollen wir, dass er ohne Geiseln geht.« Ein Abzug mit Geiseln und Waffen sei für die Polizei ein unkalkulierbares Risiko. Gegenstand der Verhandlungen sei außerdem das Fluchtfahrzeug.
Der Gangster hatte am Montagmorgen in Würselen bei Aachen mit Waffengewalt drei Angestellte eines Sicherheits- und Geldtransportunternehmens, darunter eine 30 Jahre alte Sekretärin, in seine Gewalt gebracht. Stunden später war er mit seinen Geiseln in einem gepanzerten Kleinbus des Unternehmens zur zehn Kilometer entfernten Landeszentralbank nach Aachen gefahren. Dabei war ihm die Polizei vermutlich schon auf den Fersen. Im Gebäude der Bank steckte der Wagen offenbar in einer Sicherheitsschleuse fest.
Nach Angaben der Polizei war der Täter auch am Dienstagnachmittag noch nicht identifiziert. Er spreche Deutsch mit ausländischem Akzent. Es sei aber nicht auszuschließen, dass der Akzent gekünstelt sei. Er habe Waffen und Sprengstoff bei sich, hieß es. Das Leben der drei Geiseln habe absoluten Vorrang, begründeten die Polizeisprecher vor Ort in unzähligen Interviews ihre defensive Informationspolitik. Die Geiseln, darunter der Geschäftsführer des Unternehmens, seien körperlich nicht verletzt. Der seelische Schaden, den sie in den letzten Stunden erlitten haben, sei allerdings nicht absehbar.
Die Polizei ist seit Montagmittag mit großem Aufgebot vor Ort. Mehrere Sondereinsatzkommandos sind in Wechselschicht im Einsatz. Das Gelände um die
Bank und den benachbarten Bahnhof ist weiträumig für den Verkehr gesperrt. Fußgänger durften nur in Ausnahmefällen passieren.
Opfer von Geiselnahmen waren in der Vergangenheit wiederholt einem stundenund sogar tagelangen Martyrium ausgesetzt. 99 Stunden lang dauerte im Januar 1993 die Geiselhaft eines 23-jährigen Studenten. Er war in Saarbrücken von einem wegen dreifachen Mordes gesuchten Schwerverbrecher verschleppt worden. 22 Stunden war im Juli 1994 in der U-
Haftanstalt Kassel ein Justizbeamter in der Gewalt meuternder Abschiebehäftlinge. 24 Stunden hielten im Oktober 1994 zwei Hamburger Ausbrecher während der Verfolgungsjagd bis zu neun Geiseln fest. 51 Stunden kreuzten im Mai 1995 zwei aus der Haftanstalt Celle ausgebrochene Häftlinge mit einem als Geisel genommenen Justizwachtmeister in ihrem Fluchtwagen durch Niedersachsen. Sie wurden in Osnabrück gestellt. 24 Stunden hielt im Juni 1997 im Gefängnis von Naumburg ein wegen Mordes verurteilter Häftling einen Beamten als Geisel fest.
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