Zehntausende Griechen demonstrieren gegen Merkel

  • Lesedauer: 3 Min.

Athen (dpa) - Höchste Alarmstufe in Athen: Zehntausende Griechen haben am Dienstag gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Sparkurs der griechischen Regierung protestiert. Das Regierungsviertel sowie die Zufahrtsstrecke wurden abgesperrt, rund 7000 Polizisten waren im Einsatz.

Mehrere diffamierende und beleidigende Plakate mit Nazi-Vergleichen waren bei zwei Protestkundgebungen zu sehen. Einige Demonstranten trugen SS- und Wehrmachtsuniformen, mehrere Hakenkreuzfahnen wurden verbrannt. Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es aber zunächst nicht. Das Staatsfernsehen berichtete allerdings schon am Vormittag über erste Festnahmen.

Merkel traf am Mittag am Athener Flughafen ein und wurde dort von Ministerpräsident Antonis Samaras mit militärischen Ehren empfangen. Die Autobahn vom Flughafen in die Innenstadt wurde für die Kolonne der Kanzlerin in Fahrtrichtung gesperrt.

In der Innenstadt formierte sich zu diesem Zeitpunkt schon massiver Protest. Auf dem Platz vor dem Parlament versammelten sich nach ersten Schätzungen der Polizei rund 30 000 Menschen. Sie protestieren gegen das harte Sparprogramm und machten zum Teil Merkel verantwortlich für die Arbeitslosigkeit und das Schrumpfen der griechischen Wirtschaft.

Auch auf dem zentralen Omonia Platz kamen mehrere tausend Anhänger der Kommunistischen Partei (KKE) zu einer Demonstration zusammen. «Jetzt Volksaufstand gegen die Sparpolitik», skandierten sie. Das Staatsfernsehen NET berichtete über erste Festnahmen von rund zwei Dutzend verdächtig erscheinenden Jugendlichen.

Einige Demonstranten trugen Transparente mit dem Spruch «Frau Merkel - get out» («Frau Merkel - hau ab»). Auch Plakate mit beleidigenden und diffamierenden Aufschriften waren zu sehen: «Raus aus unserem Land, du Schlampe» oder «Tochter Hitlers, raus aus Griechenland und kein Viertes Reich». Zwei Griechen fuhren in der Menschenmenge vor dem Parlament mit einem Geländefahrzeug vor. Sie hatten sich als Wehrmachtssoldaten verkleidet und riefen «Merkel raus».

Wie schon bei einer Demonstration am Vorabend trugen linke Demonstranten ein großes Transparent mit der deutschen Fahne und einem abgeänderten Vers von Bertolt Brecht: «Angela weine nicht. Da ist nichts im Schrank, was zu holen wäre.»

Linken-Chef Bernd Riexinger wollte auf einer der Demonstrationen als Redner auftreten und verteidigte die Proteste. «Merkels Besuch verschärft die Konflikte, weil sie keine Alternative zu ihrer gescheiterten Politik mitbringt», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. «Ich nehme an der Demonstration teil, um ein Signal für gewaltfreien Widerstand gegen eine falsche Politik zu setzen.»

Die Diffamierung Merkels als Nazi verurteilte er allerdings auf «Phoenix»: «Das ist natürlich eine Entgleisung.» Riexinger hatte seinen Griechenland-Besuch schon lange vor Bekanntgabe der Merkel-Reise geplant.

Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum warf dem Linken-Chef vor, die Proteste in Athen durch seine Teilnahme anzuheizen. «Dass er sich hier an Demonstrationen beteiligt, gewissermaßen da auch Öl ins Feuer gießt, das ist schon wirklich skandalös», sagte Krichbaum im Deutschlandfunk.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -