Widerspruch mit der Begründung Härtefall
Leserfrage zur Kündigung
Welche Möglichkeiten bietet das Mietrecht, sich gegen eine Kündigung zu wehren? Ich habe gehört, dass dies mit der Begründung Härtefall möglich sein soll. Was ist eigentlich darunter zu verstehen?
Gudrun M., Greifswald
Mieter können Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die vertragsmäßige (!) Beendigung des Mietverhältnisses für sie, ihre Familie oder einen anderen Angehörigen ihres Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Das besagt § 574 BGB, die sogenannte Sozialklausel, ohne jedoch ausführlich zu erläutern, was als Härte anzusehen ist. Das wird bei Streitfällen dem Richter überlassen.
Im Gesetz heißt es nur, dies gelte nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Eine Härte liege auch dann vor, heißt es weiter, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen nicht beschafft werden kann« (§ 574 BGB).
Bei der Prüfung, ob es sich um einen Härtefall im Sinne des Gesetzes handelt oder nicht, wird das Gericht auch die finanzielle Situation des Mieters in Betracht ziehen. Eine allein erziehende Sozialhilfeempfängerin, die nur wenig Miete bezahlt, kann höchstwahrscheinlich die Sozialklausel für sich in Anspruch nehmen. Weitere Gründe sind: hohes Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit, Invalidität, Schwangerschaft, ein bevorstehendes Examen, viele Kinder, geringes Einkommen, bevorstehender Umzug, lange Miet- und Wohndauer, besondere finanzielle Aufwendungen für die Wohnung.
Diese Härtegründe können auch geltend gemacht werden, wenn sie nicht auf den Mieter selbst, sondern auf eine in seinem Haushalt lebende Person zutreffen.
Der Widerspruch muss schriftlich erklärt werden und dem Vermieter zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses zugegangen sein. Auf Verlangen hat der Mieter dem Vermieter unverzüglich über die Gründe seines Widerspruchs Auskunft zu geben (§ 574b BGB).
Anders als die Räumungsfrist, die nur eine zeitlich begrenzte Nutzung nach gerichtlich bestätigter Kündigung gestattet, greift die Sozialklausel die Kündigung selbst an. Das Gericht muss entscheiden, ob das Mietverhältnis befristet oder unbefristet weiter bestehen soll. Dabei muss es die Interessen der Mieter und des Vermieters gleichberechtigt werten, denn das Besitzrecht des Mieters an der Wohnung ist dem Eigentum des Vermieters gleichgestellt (Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 16. Januar 2004, Az. 1 BvR 2285/3).
Erkennt das Gericht die Gründe für die Sozialklausel nicht an, können die betroffenen Mieter daneben Anträge auf Gewährung einer Räumungsfrist und auf Vollstreckungsschutz stellen.
Nach »MieterEcho«, Zeitschrift der BerlinerMietergemeinschaft, Nr. 355/Juli 2012.
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