Fernöstliche Reiselust erobert die Welt
Die Tourismusbranche hat Asien als lohnenden Markt entdeckt
Der Name »Pink Corner« ist angemessen. Der kleine, schmucklose schwul-lesbische Stand auf der ITB Asia ist in die äußerste Ecke der Ausstellungshalle im schicken Marina Bay Sands (MBS) in Singapur gequetscht. Tom Dedek nimmt's gelassen. »Einmal muss man den Anfang machen«, grinst der für das bereits fest etablierte Gay & Lesbian Segment der ITB Berlin zuständige Reiseexperte und fügt selbstbewusst hinzu: »Nächstes Jahr werden wir sicher schon einige Subaussteller haben.«
Die erste Pink Corner ist ein Zeichen für den wachsenden Erfolg und das zunehmende Selbstbewusstsein der ITB Asia, die seit Mittwoch zum nunmehr fünften Mal stattfindet. Immerhin ist Homosexualität in dem asiatischen Stadtstaat noch illegal. Neeta Lachmandas vom staatlichen Singapore Tourism Board wand sich deshalb auf der Pressekonferenz, als sie um eine Stellungnahme zur Pink Corner gebeten wurde. Das sei eine »kommerzielle Entscheidung« der ITB, nichts weiter.
Geschäftemachen steht nun mal im Zentrum von Messen und der guten Geschäfte wegen hat die ITB Berlin vor fünf Jahren einen Ableger in Asien etabliert. Eine Entscheidung, die Martin Buck nicht bereut: »Das ist die größte ITB Asia seit 2008, sagt der ITB-Vizepräsident. Man habe zweistellige Wachstumsraten, mehr Aussteller den je und sei lange ausverkauft. Dann zieht Buck einen historischen Vergleich: »Auf der 5. ITB Asia haben wir 853 Aussteller aus 72 Ländern. Auf der 5. ITB Berlin hatten wir 1971 nur 135 Aussteller aus 32 Ländern. Das zeigt, dass Asien eine ganz andere Dynamik hat.«
Die touristische Dynamik Asiens ist Dank der stetig wachsenden Mittelklasse in Südostasien, Indien und China gewaltig. Weltweit werde diese Schicht bis 2030 um zwei Milliarden Menschen zunehmen, prophezeit David Scowsill. Der Chef des World Travel & Tourism Council (WTTC), dem Weltverband der Reisebranche, fügt hinzu: »Und die wollen reisen.« Tourismus ist kein Privileg des Westens mehr. »Es gibt nicht mehr die Teilung in Sender- und Empfängerländer«, ergänzt Buck.
Deshalb ist Wolfgang Gärtner zur Messe gekommen. »Asien ist der Zukunftsmarkt«, ist der Leiter des internationalen Marketings beim Fremdenverkehrsamt Sachsen überzeugt. Allerdings tut sich Sachsen auf dem asiatischen Markt schwer. »Wir müssen von Grund auf anfangen«, seufzt Gärtner. »Die Leute hier verbinden mit Deutschland Bayern, den Schwarzwald und natürlich Berlin. Den Osten kennen sie nicht.«
Sachsens große Chance sieht Gärtner in wohlhabenden Individualtouristen, die die Deutschlandklassiker schon ›gemacht‹ haben. »Mit Meißner Porzellan oder Glashütte Uhren haben wir zudem Produkte zu bieten, die bei den Luxus liebenden und shoppingbegeisterten Asiaten ankommen.«
Auf Kundenfang in Asien ist auch die Deutsche Bahn. Von Indien bis Japan verkauft sie seit einigen Jahren über Partnerunternehmen Pauschaltickets wie den German Rail Pass. Auf der ITB ist sie erstmals vertreten. »Wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten«, sagt Irina Ens. So seien die Japaner mit dem Bahnfahren vertraut, in anderen Ländern hingegen gibt es so kaum Eisenbahnen oder sie hat wie in Indien den Ruch des Transportmittels für Arme.
Auf Überzeugungsmission ist auch Scowsill. Mit der Tourismusorganisation der UNO reist er zu Regierungs- und Staatschefs, um sie von der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus zu überzeugen. Er nennt Zahlen: Neun Prozent steuerte der Tourismus 2011 zum weltweiten Bruttosozialprodukt bei; das jährliche Jobwachstum liegt bei zwei Prozent; weltweit sind sechs mal mehr Menschen in der Reisebranche beschäftigt als in der Automobilindustrie. »Asien ist dabei der treibende Faktor. Es stürmt mit einem Wachstum von sechs Prozent, vier mal soviel wie Europa, voran. In zehn Jahren wird Asien den weltweiten Tourismus dominieren.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.