Bolivien auf Werbefeldzug für das Kokablatt

Außenminister Choquehuanca klärt über den Unterschied zwischen Kauen und Koksen auf

  • Benjamin Beutler
  • Lesedauer: 2 Min.
Boliviens Außenminister David Choquehuanca trifft heute auf seinen deutschen Kollegen Guido Westerwelle. Dabei rührt er erneut die Werbetrommel für die Legalisierung des Kokablattes.

»Wir wollen Teil des Abkommens sein, aber wir müssen unsere Kultur verteidigen.« Für David Choquehuanca, Boliviens ersten indigenen Chefdiplomaten seit der spanischen Conquista, ist die Sache klar: Bolivien ist für eine Reform des UN-Drogenkontrollsystems. Nicht weniger als die Legalisierung des »Acullicu«-Kokablatt-Kauens und die Streichung des Kokablattes von der Liste verbotener Stoffe will La Paz.

Seit 1961 sind Kokablatt und »Acullico« verboten. Mitten im Kalten Krieg war das »Einheitsabkommen über Betäubungsmittel« unter dem Dach der Vereinten Nationen abgeschlossen worden. Bis heute ist das damals in Kraft getretene Völkerrecht Grundlage der Drogenkontrolle rund um den Globus. Die Liste verbotener Substanzen ist lang. Sie reicht von Marihuana über Heroin bis zu Kokain, das durch chemische Verfahren aus Kokablättern gewonnen wird. Aus diesem Grund landete auch der anpassungsfähige Strauch auf der Verbotsliste.

Bolivien kann dem Verbot des Kokablattes nichts abgewinnen: Das ist so, als würde man Zucker verbieten, nur weil daraus Alkohol gemacht werden kann, findet nicht nur Präsident Evo Morales und fordert die Konsumentenländer im Norden auf, ihre Probleme doch zu Hause zu lösen. Außerdem habe bei Unterzeichnung in Bolivien eine Militärdiktatur das Land regiert, stellt Choquehuanca die Legitimität des Abkommens infrage. Damals wurde Bolivien verdonnert, binnen 25 Jahren ein Verbot des Kokakauens durchzusetzen. 1972 kam auf Drängen der USA noch die Verpflichtung zu einer vollständigen Vernichtung aller Kokapflanzungen hinzu, die über einer festgelegten Anbauobergrenze liegen.

Der Wahlsieg der Bewegung zum Sozialismus (MAS) war nicht nur ein Regierungswechsel. Die Linksregierung will das Kokablatt aus der Schmuddelecke von Drogenhandel und Koksschnupfern holen. Bis dahin waren die heimischen Militärs mit den Beratern der US-Antidrogenbehörde DEA eine unheilvolle Allianz eingegangen. Die schlug sich in Gewalt, Aufstandsbekämpfung und Einmischung in innere Angelegenheiten nieder. Als Trostpflaster pumpte die Entwicklungsbehörde USAID Millionen von US-Dollar in »alternative Entwicklung« wie den Anbau von Bananen, Kakao oder Orangen. Daran hat sich bisher wenig geändert, auch Europa teilt diese Doppelstrategie.

Seit Jahresbeginn 2012 ruht Boliviens Mitgliedschaft in der UN-Drogenkonvention. In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Morales zuvor Boliviens Bedingungen genannt. Der »medizinische und traditionelle Gebrauch des Kokablattes« müsse endlich wieder erlaubt sein. »Zur Wiedergutmachung des Schadens, der den indigenen Völkern zugefügt wurde, zählen wir auf Sie alle«, schrieb Morales, noch immer Vorsitzender der heimischen Koka-Bauerngewerkschaft, an die internationale Gemeinschaft. Ein Drittel der 186 Mitgliedsstaaten müsste dem Vorstoß zustimmen.

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