Heilbehandlung für Gehälter
Arbeitskampf am Neurologischen Zentrum Magdeburg / Einigung in Leipziger Klinik in Sicht
Das Neurologische Zentrum Magdeburg gilt als Modelleinrichtung. Die Sozialministerien im Bund und dem Land Sachsen-Anhalt unterstützten den Aufbau der Klinik, die sich seit 1999 um die Rehabilitation von Patienten mit teils schweren neurologischen Erkrankungen kümmert.
Ein Vorzeigemodell indes mag das Haus, eine von bundesweit 41 Einrichtungen der Median-Klinikgruppe, in medizinischer Hinsicht sein; für die Arbeitsbedingungen der 270 nichtärztlichen Mitarbeiter gilt das nicht. Zwar gab es 2007 eine mit der Gewerkschaft ver.di ausgehandelte tarifliche Einigung für das Haus. Doch die vereinbarten Gehälter liegen um bis zu 40 Prozent unter denen im Uniklinikum und dem städtischen Magdeburger Krankenhaus. Zudem gibt es auch innerhalb des Neurologischen Zentrums gravierende Unterschiede, weil nach zwei Gehaltstabellen entlohnt wird.
Unter derlei Bedingungen wollen die Magdeburger Median-Beschäftigten künftig nicht mehr arbeiten. Am Mittwoch traten 100 in einen Warnstreik - kurz bevor Geschäftsleitung und Gewerkschaft zum dritten Mal über einen neuen Tarifvertrag verhandelten. Ver.di verlangt die Angleichung der Gehälter in der Klinik, sagt Thomas Mühlenberg, Verhandlungsführer bei ver.di. Das Unternehmen, das zuvor nur kleinere Zuwächse in Aussicht gestellt hatte, bot in den Gesprächen ein sattes Plus von 16 Prozent für bislang niedriger Entlohnte und elf Prozent für die übrige Belegschaft, umgesetzt jeweils in drei Stufen bis 2014. Mühlenberg nennt zumindest die Offerte von 16 Prozent ein »vernünftiges Angebot«. Die Verhandlungskommission müsse es bis zur nächsten Runde am 9. November beraten.
Der Arbeitskampf bei Median in Magdeburg ist nach Einschätzung des Gewerkschafters symptomatisch für eine Entwicklung in der gesamten Region. Belegschaften seien inzwischen »eher bereit, etwas für Verbesserungen zu tun«, sagt er. Das macht ver.di zur Voraussetzung für Verhandlungen. In Magdeburg habe es bereits zwei »aktive Pausen« gegeben, bevor es zum Warnstreik kam, und die Beschäftigen seien »zu mehr bereit«, sagt Mühlenberg, der auch steigende Mitgliederzahlen registriert. Das ist offenbar eine Antwort der Beschäftigten auf steigenden Leistungsdruck in den zunehmend von Privaten betriebenen Kliniken, die zugleich mit einer immer knapperen Finanzierung der Einrichtungen kalkulieren müssen. Die Konzerne verweigerten oft eine Bezahlung nach den im Westen gültigen Tarifen, sagt der Gewerkschafter. Allerdings: Mit willfährigen Belegschaften können sie offenbar immer weniger rechnen.
Zu Konflikten kommt es freilich nicht nur in rein privaten Kliniken. Bereits seit anderthalb Jahren liegen Geschäftsführung und Gewerkschaft auch am Krankenhaus St. Georg in Leipzig über Kreuz, das derzeit 800-jähriges Jubiläum feiert. Zur Unternehmensgruppe gehört auch ein großes städtisches Krankenhaus. Insgesamt arbeiten an 17 Standorten in und um Leipzig 3300 Mitarbeiter. Der Tarifkonflikt betrifft die St. Georg Wirtschafts- und Logistikgesellschaft mbH, eine Tochter der Gruppe.
Ihr Management hatte vor Gericht um die Zuständigkeit für Tarifgespräche gestritten, dabei aber in zwei Instanzen verloren. Dennoch würden Gespräche weiter verweigert, klagte ver.di Mitte September und drohte mit Streik.
Jetzt sieht es freilich nach einer gütlichen Einigung aus: Am 1. November wird wieder verhandelt. Die Krankenhausgesellschaft hat zugesagt, per 1. Februar 2013 einen Tarifvertrag in Kraft zu setzen, der ihren Angaben zufolge ein Lohnplus von neun Prozent in zwei Stufen sowie mehr Urlaub enthält. Die Gewerkschaft hatte einen Vertrag bereits zu Oktober 2012 gefordert - zu schnell für die schriftliche Fixierung, sagt das Unternehmen. Ver.di hat das zuletzt akzeptiert. Ausgehandelt werden soll nun noch eine Einmalzahlung, um die Verzögerung zu überbrücken.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.