Anti-Piraten-Einsatz »zu Protokoll«

Bundesregierung wollte Gesetz zur Privatisierung der maritimen Sicherheit durchs Parlament schleusen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Besatzung der deutschen Fregatte »Sachsen« hat vor Somalia sieben mutmaßliche Piraten festgesetzt. Künftig erledigen so etwas vielleicht Wachschützer - nach dem »Jedermannsrecht«.

Was da am Samstag vor der Küste Somalias genau abgelaufen ist, kann man weder der Mitteilung aus dem Hauptquartier der EU-Operation »Atalanta« noch der Meldung aus dem Auslandsführungskommando der Bundeswehr entnehmen. Dort heißt es nur: »Der Vorgang ist nicht abgeschlossen.«

Sicher ist, dass die Fregatte einer iranische Dhau begegnete. Per Funk fragte man den Schiffsführer nach dessen Befinden, der teilte mit, dass er sieben bewaffnete Piraten an Bord habe. Mit seiner Erlaubnis enterte ein deutsches Kommando den Frachtsegler und sammelte die Piraten ohne Gegenwehr ein - samt Kalaschnikows und Panzerbüchsen. Womöglich, so wird spekuliert, wollten die Piraten die Dhau als Mutterschiff einsetzen, der Einsatz der deutschen Marinesoldaten hätte somit 20 iranischen Seeleuten eine längere Gefangenschaft erspart.

Ohne die Gefahr der Freibeuterei klein reden zu wollen: Die registrierten ostafrikanischen Piratenvorfälle sind von 163 im ersten Halbjahr 2011 auf 69 in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gesunken. Dass die Piraten nach dem Abflauen des Monsuns wieder auf Kaperfahrt gehen, war erwartet worden.

Balgen um Eskortaufträge

EU und NATO führen das natürlich auf die Präsenz ihrer Flotten zurück. Doch deren Nutzen ist eher bescheiden. Abschreckender sind sicher die bewaffneten Teams, die viele Reeder an Bord nehmen. Das Geschäft lohnt sich - vor allem für die beteiligten Sicherheitsfirmen. Man schätzt, dass sich um die 160 um die Eskortaufträge balgen.

Im Sommer 2011 hatte das Ministerium für Wirtschaft und Technologie durchblicken lassen, dass man auch deutschen Sicherheitsunternehmen ohne Umwege einen Platz an der Krippe ermöglichen wolle. Dafür bereite man ein Zertifizierungsverfahren für den Einsatz privater Sicherheitsfirmen an Bord von Handelsschiffen. Bundeswehr und Bundespolizei hätten für solche Aufgaben nicht genügend Kapazitäten, um allen Handelsschiffen unter deutscher Flagge, die die Seewege rund um das Horn von Afrika befahren, geeigneten Schutz zukommen zu lassen, hieß es. Dabei hatten sich die Reeder durchaus bereit erklärt, eine Art Sicherheitsgebühr zu entrichten. Die Gewerkschaft der Polizei schlug vor, Soldaten umzuschulen, die im Rahmen der umfassenden Bundeswehrreform »frei« werden.

Nichts fruchtete, statt dessen verlor sich die Initiative im bürokratischen Ablauf - um am vergangenen Donnerstag als Tagesordnungspunkt 29 im Bundestag aufzutauchen. Ganz kurz nur, denn es war geplant, den »Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen« ohne Aussprache durchzuwinken. Sollen sich doch die Ausschüsse für Wirtschaft und Technologie, Auswärtiges, Inneres, für Recht sowie für Ausschuss Verkehr damit befassen.

Der kurze Prozess, so meint Frank Tempel, Abgeordneter der Linkspartei, sei nicht angebracht. Denn der Gesetzentwurf hat es in sich. Tempel ist im richtigen Leben Kriminalpolizist, kennt sich also aus mit hoheitlichen Aufgaben und mag nicht einsehen, dass man den Schutz vor schwersten Straftaten wie Entführung und Erpressung - und das zumindest ist Piraterie - an private Sicherheitsdienste abgibt. Die Gewerkschaft Ver.di hält die »Söldner-Aktivitäten« der Regierung für »äußerst problematisch und nicht akzeptabel«. Schon weil »Kollateralschäden bei Seeleuten« nur durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt werden sollen. Die Regierung verweist darauf, dass man die Unternehmen, die sich für den maritimen Wachschutz bewerben, zertifizieren wolle. Verantwortlich dafür ist das Bundesausfuhramt in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei. Man beurteile gemeinsam die »Plausibilität und die Richtigkeit der von den Sicherheitsunternehmen gemachten Angaben«.

Nur Jedermannsrechte

Angeblich will man den maritimen Sheriffs keine Kriegswaffen in die Hand geben, doch ohne die werden die nicht auskommen. Die gemieteten Schiffsschützer sollen sich mit Piraten anlegen - doch stehen den Beschäftigten nur sogenannte »Jedermannsrechte zu, insbesondere das strafrechtliche Notwehr- und Nothilferecht«. Wer aber untersucht mögliche Vorkommnisse, wer garantiert, dass, sollten Gefangene gemacht werden, diese auch den deutschen Rechtsnormen entsprechend behandelt werden?

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.