Ketten für den »Leo«
Proteste gegen Rüstungsexporte in Düsseldorf, Heidelberg und Freiburg
Die Blockaden bleiben symbolisch, dauerhaft können die 120 Demonstranten nicht verhindern, dass die Luxuskarossen in die Tiefgarage am Rheinmetall Platz 1 fahren. Da sind die Uniformierten davor: Immer wieder drängen sie als allzu aufdringlich empfundene Rüstungsgegner vom - so die Polizeierklärung - »Privatgelände der Firma Rheinmetall«.
Seit kurz vor sieben Uhr werden vor der Zentrale des Rüstungskonzerns Flugblätter verteilt. Eines richtet sich direkt an die Beschäftigten: Sie werden aufgefordert, auf der Arbeit ihre Ablehnung zu einem besonders widerwärtigen Waffengeschäft deutlich zu machen, Kollegen auf dessen destruktive Wirkung anzusprechen und eine Betriebsversammlung »über die Folgen der verfehlten Geschäftspolitik von Rheinmetall« einzufordern. Die Resonanz bleibt verhalten: Nur wenige, die in das Firmengebäude eilen, nehmen das Flugblatt an; auch die meisten Passanten wirken desinteressiert.
Dabei hat es die Botschaft in sich: Mindestens 200, vielleicht aber bis 800 deutsche Leopard-2-A7-Panzer will das saudi-arabische Regime importieren. Und Rheinmetall fertigt die Kanonen. »Dieser Leopard ist speziell ausgerüstet für den Einsatz gegen Aufständische in städtischen Gebieten«, kritisiert Manni Stenner, Geschäftsführer des Netzwerkes Friedenskooperative. »Düsseldorfer Waffentechnologie bedroht das Streben der arabischen Völker nach Demokratie.«
Die Düsseldorfer Proteste unter dem Motto »Legt den ›Leo‹ an die Kette« finden statt im Rahmen der bundesweiten »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel«. Weitere Proteste gab es gestern in Freiburg, wo kurz vor Redaktionsschluss eine Kundgebung im Herzen der Stadt begann, und in Heidelberg. Dort geriet Rockwell Collins Deutschland ins Visier der Demonstranten, die den Rüstungszulieferer mit klassischer Musik beschallten. Auch sollte »den Tätern ein Gesicht« gegeben werden - mittels einer Flugblattaktion.
Vor der Rheinmetall-Tiefgarage fährt ein silberner Mercedes vor, am Steuer sitzt ein Mittfünfziger, der seinen Pkw kurz abbremsen muss. »Rheinmetall liefert Panzer an Saudi-Arabien«, sagt ein Rüstungsgegner durch das runtergekurbelte Autofenster. »Ist das so?«, fragt der Mann, offensichtlich ein Manager. »In Saudi-Arabien werden die Panzer genutzt, um Demonstranten zu überrollen«, empört sich der Pazifist. »Ich habe die Verträge nicht gesehen«, sagt der Rheinmetaller schmallippig. Und gibt Gas. »Mörder, Mörder!«, rufen die Demonstranten ihm hinterher. »Krieg beginnt hier!« steht auf einem Transparent.
Immer wieder entwickeln sich Wortgefechte zwischen Demonstranten, die der Polizei vorwerfen, Verbrecher zu schützen, und der Polizei, die zu eifrigen Demonstranten mit Ingewahrsamnahme droht. Bald ist der Zugang zur Tiefgarage mit rot-weißem Absperrband gesichert. »Ein bisschen Krachmachen ist okay«, sagt ein leitender Polizist. »Aber bleiben Sie bitte hinter den Absperrungen!«
Vor dem Haupteingang des Rheinmetall-Zentrale steht eine Frau in einem schwarzen Witwenkleid, wie es im späten 18 Jahrhundert modern gewesen sein mag. »Die Waffen nieder!«, eine Parole der 1914 gestorbenen Pazifistin Bertha von Suttner, ist auf dem Schild zu lesen, das die 77-Jährige Hanna Jaskoloski hoch hält. »Bertha von Suttner schrieb gegen die Barbarei der Rüstung an«, sagt die Rheinländerin, die seit vielen Jahren in der Friedensbewegung aktiv ist. »Suttners Forderungen sind immer noch aktuell. Das heißt, wir sind seit 120 Jahren keinen Schritt weiter gekommen.«
Auf einer zur Bühne umfunktionierten Lkw-Ladefläche steht Manni Stenner. »Offenbar herrscht bei Rheinmetall heute Sparbetrieb«, spricht der Mann, der zu den wichtigsten Organisatoren der Friedensbewegung zählt, ins Mikrofon. Einige Rüstungsgegner johlen. Offenbar feiern heute viele Rheinmetaller Überstunden ab - auch das wird als Erfolg wahrgenommen.
Gegenüber »nd« betont Stenner den guten Start der Aktion: »Wir haben deutlich gemacht, dass Waffenexporte in autokratische Regime nicht hinzunehmen sind.« Das Thema Panzerexporte werde im Wahlkampfjahr 2013 auf der Tagesordnung bleiben. Ob er, der schon Friedensdemos Hunderttausender Menschen mitorganisierte, zufrieden sei mit 120 Protestierenden? »Für einen Freitagmorgen sind das gar nicht mal so wenige«, erwidert Stenner. »Und jede große Bewegung startete einst mit kleinen Aktionen!«
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