Unerwarteter Wechsel

Im Nordosten zieht sich LINKE-Landeschef Steffen Bockhahn zurück

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach nur drei Jahren hat Steffen Bockhahn seinen Rücktritt als Nordost-Landeschef der LINKEN erklärt. Eine mögliche Ursache könnte der Flügelstreit in der Landespartei sein, den der Rostocker nicht nachhaltig moderieren konnte. Vize Heidrun Bluhm soll noch dieses Jahr die Verbandsspitze übernehmen.

Die offizielle Begründung klingt so: »Alles für das Direktmandat!« Der Landesvorsitz der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern, erklärte Steffen Bockhahn am Montag seinen überraschenden Rückzug von der Nordost-Parteispitze, beanspruche mehr Zeit, »als ich sie im kommenden Jahr aufbringen kann«. Er wolle »mit voller Kraft für Rostock und die Verteidigung meines Direktmandates für den Bundestag kämpfen können, und einen halben Vorsitzenden hat die Partei nicht verdient«, so Bockhahn gegenüber »nd«. Dass er immer alles richtig gemacht habe, wolle er nicht behaupten, es habe aber auch Erfolge gegeben: Immerhin konnte die Partei bei der Landtagswahl im Herbst 2011 »gegen den Bundestrend als einziger Landesverband bei einer Landtagswahl zulegen«.

Zum Hintergrund des überraschenden Schrittes gehört aber auch der schwelende Flügelkonflikt in der Partei, der zuletzt noch aus den harmlosesten Äußerungen des Rostockers etwa bei »Twitter« sprach. Am Wochenende kommentierte Bockhahn dort unter Bezug auf die LINKE den Fußballsieg der Rostocker über Saarbrücken: »Mecklenburg-Vorpommern schlägt das Saarland 2:0. Könnte immer so laufen.« Darin, lacht Bockhahn, stecke nicht der wahre Grund für seinen Rückzug. Dennoch scheint das »Saarland« nun einen Gegentreffer erzielt zu haben.

Erbitterte Kritik der Parteilinken an dem 33-jährigen Landeschef, der 2009 nach dem Gewinn des Direktmandates mit etwa 60 Prozent an die Spitze gehoben worden war, gab es schon lange. Dass es ihm an Gefolgschaft mangelte, wurde Mitte September auf einem Landesparteitag klar. Die dortigen Delegierten folgten nicht mit der notwendigen Mehrheit seinem Antrag auf eine Auflösung des (Alt-)Kreisverbandes in Stralsund, der sich nach der Kreisreform von 2011 vorerst nicht mit den (Alt-)Kreisverbänden auf Rügen und in Nordvorpommern vereinigen will.

Die »Antikapitalistische Linke« (AKL) forderte daraufhin Bockhahns Rücktritt: »Ein gehöriger Teil der Delegierten solidarisierte sich faktisch mit den Stralsunder Genossen - die Partei zeigte sich erneut offen gespalten.«

Tatsächlich scheint Bockhahn, der im Koordinatensystem der Partei zu den »Pragmatikern« zählt, für einen Landeschef nicht integrierend genug gewirkt zu haben. Es begann bei der Listenaufstellung des Landtags im April 2011, als der Vorschlag des Landesausschusses mit der Vorsitzenden-Mehrheit »bearbeitet« wurde: Bis auf den anerkannten Kulturpolitiker Torsten Koplin und Barbara Borchardt, die auf einem hinteren Platz landete, flog die Partei-Opposition von der Liste.

Es folgte ein Wahlkampf-Parteitag, der ausgerechnet auf den 13. August gelegt und mit einer Schweigeminute für die Todesopfer des DDR-Grenzregimes eröffnet worden war. Dies endete in einem Skandal, als die frühere Sozialministerin Marianne Linke demonstrativ sitzen blieb: Aus Sicht etwa der AKL bestand der »verborgene Sinn dieser Zeremonie« nämlich darin, »die Delegierten festzulegen auf die These, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei«. Anschließend wurde ein Ausschlussverfahren gegen Linke angestrengt und dann wieder zurückgezogen; der Streit um den Stralsunder Kreisverband, dem Marianne Linke vorsitzt, nahm seinen Anfang.

Schon nach der Landtagswahl im September 2011 hatten ihrerseits »pragmatische« Kreispolitiker hinter vorgehaltener Hand angemerkt, ein Landeschef müsse mehr »moderieren und kommunizieren«.

Als Nachfolgerin soll nun auf einem Sonderparteitag in zwei Wochen die Bundestagsabgeordnete Heidrun Bluhm gewählt werden. Sie ist bereits jetzt die Vizevorsitzende des Landesverbands. Die 1958 in Schwerin geborene Politikerin war zunächst in ihrer Heimatstadt Baudezernentin, bevor sie 2005 über die Landesliste in den Bundestag einzog. Derzeit fungiert sie dort als wohnungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Im Groben ist Bluhm, die vor ihren politischen Ämtern unternehmerisch tätig war, ebenfalls zu den »Pragmatikern« zu zählen. Im Stil allerdings dürfte die nunmehr designierte Landesvorsitzende, die vor der Wende Gesellschaftswissenschaften und nach der Wende Innenarchitektur und Design studiert hat, konzilianter wirken als Bockhahn - der von sich selbst sagt, er sei »ein Überzeugungstäter« und »provoziere auch mal gerne«.

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