Entspannter Highlander

Der Schotte Andy Murray kehrt zum ATP-Masters stolz nach London zurück

  • Ulrike Weinrich, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Olympiasieger Andy Murray ist beim ATP-Masters in London der umjubelte Publikumsliebling. Durch seinen US-Open-Sieg hat der Brite endgültig seinen Ruf als ewiger Zweiter abgelegt. Gestern startete er mit einem Sieg ins Turnier.

Einen Schuss britischen Humor - und schon hatte Andy Murray die Lacher auf seiner Seite. Kurz vor Beginn des ATP-Masters in London hatte der Olympiasieger die Gelegenheit bei einer Charity Veranstaltung im altehrwürdigen Royal Courts of Justice genutzt, um die Erklärung für seine neue Popularität zu liefern. »Schuld ist dieser Mann hier«, sagte Murray und deutete ganz frech auf Roger Federer: »Er hat mich damals zum Weinen gebracht.«

Damals, das war am 8. Juli. Murray verlor das Wimbledon-Finale gegen den Maestro aus der Schweiz. Aber der stolze Schotte gewann die Herzen der britischen Fans. Nicht zuletzt, weil der scheinbar ewige Zweite bei der Siegerehrung etliche Tränen vergoss. Das Königreich war gerührt - und wurde nur vier Wochen später erlöst: Murray bedankte sich passenderweise an gleicher Stätte für die Liebe und schenkte der Nation dank der Revanche gegen Federer im All England Club die olympische Goldmedaille.

Gestern gewann Murray sein Auftaktduell der Gruppe A gegen den Tschechen Tomas Berdych mit 3:6, 6:3, 6:4. Souverän und selbstbewusst trat er auf. Diese Selbstverständlichkeit in seinem Spiel hat noch einen weiteren Grund. Der 25-Jährige kam als Grand-Slam-Sieger nach London zurück. Als derjenige, der als erster Brite seit Fred Perry 1936 wieder ein Major-Turnier gewinnen konnte.

Bei den US Open Anfang September hatte Murray seinen Endspielfluch im fünften Anlauf endlich besiegt. Fünfsatz-Erfolg über den Serben Novak Djokovic, der auch beim mit umgerechnet rund 6,86 Millionen Euro dotierten Saisonabschluss an der Themse einer von Murrays Gruppengegnern ist. »Es war eine lange, lange Reise bis zu diesem Punkt. Ich verspürte Erleichterung, weil ich mir bewiesen hatte, dass ich auch Grand Slams gewinnen kann«, sagte der Weltranglisten-Dritte. Nach dem Triumph in New York hatte Murray ganz offen über die jahrelangen Selbstzweifel berichtet. In seiner Heimatstadt Dunblane war der Highlander, der als Kind in der Schule einen Amoklauf eines Massenmörders überlebte, danach von fast 20 000 Menschen frenetisch begrüßt worden. Dabei hat der Ort nahe Stirling in der Grafschaft Perthshire gerade einmal 8540 Einwohner. »Wo kommt ihr nur alle her?«, rief der US-Open-Held mit seiner typisch rauen Stimme ins Mikrofon.

Die Murray-Mania soll sich auch den kommenden Tagen in London fortsetzen. Der Hoffnungsträger wäre der erste britische Sieger des ATP-Masters überhaupt. Den ganz große Druck, den verspürt Murray nach seiner ganz persönlichen Erlösung von New York aber nicht mehr. »Ich fühle mich vor dem Turnier diesmal entspannter als noch in den Jahren zuvor, weil ich als Sieger der US_open komme«, meinte der Schützling von Ikone Ivan Lendl noch vor seinem ersten Aufschlag.

Zweimal hat Murray bei der inoffiziellen WM das Halbfinale erreicht (2008/2010) - zu mehr reichte es bislang nicht. Dritter Gruppengegner des Schotten neben Djokovic und Berdych ist Jo-Wilfried Tsonga aus Frankreich. Titelverteidiger Roger Federer bekommt es in der Parallestaffel mit David Ferrer (Spanien), Juan Martin del Potro (Argentinien) und Janko Tipsarevic (Serbien) zu tun.

Die jeweils zwei Gruppenbesten erreichen das Halbfinale. Das Finale wird erstmals an einem Montag ausgetragen (12. November). Wimbledonsieger Federer könnte seinen insgesamt siebten Masterstitel holen.

Auf den Tennisthron wird der 31-Jährige allerdings selbst dann nicht zurückkehren. Vor dem Saisonfinale steht bereits fest, dass Australian-Open-Gewinner Djokovic als Nummer eins ins neue Jahr gehen wird. »Wir erleben interessante Zeiten im Männertennis. Es gab in diesem Jahr vier verschiedene Grand-Slam-Sieger. Was will man mehr?«, fragte Djokovic rhetorisch. Andy Murray kann da nur beipflichten.

Andy Murray Foto: dpa/Ian Langsdon

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