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Gegen die verdinglichte Gesellschaft

Heute wird der Berliner Ökonom Klaus Steinitz 80

  • Joachim Bischoff
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Jahr 1967 fand anlässlich des 100-jährigen Erscheinens des Marxschen »Kapital« in Frankfurt am Main ein internationales Kolloquium »Kritik der politischen Ökonomie heute« statt. Der Teilnehmerkreis reichte von Wolfgang Abendroth über Joseph Gillman, Ernest Mandel und Nicos Poulantzas bis hin zu Zygmund Wyrozembski. Den Streit um die Kritik der politischen Ökonomie wurde damals so umrissen: »Während die westlichen Autoren, jeder Praxis des sozialistischen Alltags enthoben, sich energisch den dialektischen Feinheiten der Marxschen Methode zuwendeten, sehen sich die Ökonomen der sozialistischen Länder genötigt, eine ›politische Ökonomie‹ unter positivem Vorzeichen zu entwickeln, die nicht selten dazu tendiert, hinter den spezifischen Sinn der Marxschen Theorie zurückzufallen.«

Zu der Delegation aus der DDR gehörte neben Fritz Behrens, Karl Bichler und Otto Reinhold auch Klaus Steinitz, damals stellvertretender Institutsleiter des Ökonomischen Forschungsinstituts der Staatlichen Plankommission. Ein Großteil der Teilnehmer war biografisch geprägt durch das »Zeitalter der Extreme« (Hobsbawm). Das heißt ihre Lebensschicksale waren durch Verfolgung, Flucht und Exil und unorthodoxe wissenschaftliche Laufbahnen bestimmt.

Auch Klaus Steinitz verbrachte die ersten Lebensjahre in der Sowjetunion und Schweden. In den 1960er Jahren wurde er Mitarbeiter der Staatlichen Plankommission der DDR. Fritz Behrens skizzierte damals den Rahmen der politischen Ökonomie: Weil die sozialistische Revolution ihren Ausgang in einem ökonomisch-kulturell rückständigen Land genommen hatte und die Bedingungen auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortwirkten, hatte man es mit einem bürokratischen Zentralismus zu tun, der mit dem Namen Stalin verknüpft war. »Wenn die materiellen Bedingungen für den Aufbau des Sozialismus fehlen, durch die Gunst der politischen Konstellation eine sozialistische Partei aber die Macht ergreift, dann wird ungenügende ökonomische Reife durch die politische Gewalt des Staates als ökonomische Potenz kompensiert.«

Insofern war der Kampf um demokratische Partizipation und die Entwicklung einer politischen Ökonomie des Sozialismus keine einfache Aufgabe. Man musste große Hindernisse überwinden, um die Ursachen für die Erstarrung der Kritik der politischen Ökonomie zu erkennen. Verbunden mit vielen Rückschlägen und Niederlagen (letztlich mit dem Scheitern des Versuchs) konnte und kann die Auseinandersetzung um die Wiederaneignung von Demokratie und Wissenschaft geführt werden.

Ich folge Klaus Steinitz in seinem aktuellen Resümee: »Bei aller notwendigen selbstkritischen Reflexion gibt es auch für die Wirtschaftswissenschaftler keinen Grund, ihre Arbeit vorwiegend negativ zu betrachten und gering zu schätzen.« Dies gilt umso mehr, als die Aufgabe noch nicht gelöst ist, in einer bürgerlichen Demokratie sogenannte Strukturreformen im Sinne von Palmiro Togliatti durchzusetzen. Eine gerechte, nicht verdinglichte Gesellschaft braucht die gesellschaftliche Steuerung der Produktivkräfte und folglich eine politische Ökonomie in toto, »weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit über das Notwendige wieder beginnt und die ganze alte Scheiße sich wieder herstellen müsste«, wie Karl Marx es schrieb.

Klaus Steinitz hat bis heute um eine solche »Kritik der politischen Ökonomie« gekämpft und wird dies auch nach seinem 80. Geburtstag fortführen.

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