Ein Korb für den Minister

Mit Warnstreiks wollen Sachsens Lehrer Tarifverhandlungen zu Altersteilzeit erzwingen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.
Zum zweiten Mal seit Schuljahresbeginn streiken derzeit Sachsens Lehrer. Sie wollen Verhandlungen über einen Demografie-Tarifvertrag. Der Finanzminister bietet nur Gespräche.

In Sachsens Schulen findet in diesen Tagen lediglich Unterricht auf Sparflamme statt. Grund: Die Lehrer streiken. Gestern befanden sich 5000 Lehrer in der Region Dresden im Ausstand, heute und morgen folgen ihre Kollegen in Chemnitz und Leipzig. Binnen zwei Monaten ist das die zweite Warnstreikwelle. Schon am 7. September, als das Schuljahr gerade begonnen hatte, legten die Pädagogen erstmals die Arbeit nieder.

Mit den Streiks wollen die Lehrer erreichen, dass sich das Land auf den demografischen Wandel einstellt. In naher Zukunft ist jeder vierte sächsische Lehrer älter als 60 Jahre, Nachwuchs fehlt jedoch. Eine ausgewogenere Altersstruktur soll mit einem Demografie-Tarifvertrag erreicht werden. Kernbestandteil soll eine Regelung zur Altersteilzeit sein. Sie würde es nicht nur altgedienten Lehrern erlauben, früher in den Ruhestand zu gehen; gleichzeitig könnten früher junge Lehrer nachrücken. Altersteilzeit sei »eines der besten Instrumente, um frühzeitig Lehrer an diesen Beruf zu binden«, sagt Ilse Schaad vom Bundesvorstand der Gewerkschaft GEW.

Bis vor wenigen Jahren gab es eine bundeseinheitliche Regelung zur Altersteilzeit. Seit 2011 sollen jedoch die Länder allein entscheiden, ob und wie sie das Instrument nutzen. Derzeit hat nur Sachsen-Anhalt eine Regelung. In Sachsen drängen Lehrergewerkschaften vehement auf Verhandlungen zum Thema. Es habe bereits drei offizielle Aufforderungen an den zuständigen Finanzminister Georg Unland (CDU) gegeben, sagt Sabine Gerold, Landeschefin der GEW. Als Antwort gab es aber lediglich Angebote zu unverbindlichen Gesprächen, zuletzt mit einem Brief vom 8. November.

Unland, so hieß es, wollte dabei erläutern, warum Altersteilzeit derzeit in Sachsen nicht möglich ist. »Wir wollen uns aber nicht in Gesprächen erklären lassen, warum das nicht geht«, sagt Jens Weichelt, Chef des Sächsischen Lehrerverbands: »Wenn man sich nichts zu sagen hat, muss man nicht miteinander reden.«

Mit den Streiks wollen die Lehrer nun Verhandlungen erzwingen - möglichst noch vor Verabschiedung des Landesetats für 2013/14 im Dezember. Für derlei Kampfmaßnahmen gebe es »große Ermutigung der Kollegien«, sagt Gerold. Die Kampfbereitschaft unter den Lehrern nimmt ihrer Beobachtung nach zu. Die Gründe dafür sind vielfältig: die vielen Überstunden, mit denen der große Unterrichtsausfall verringert werden soll, die hohe Arbeitsbelastung und die Weigerung des Arbeitgebers, etwa Grundschullehrern eine Tätigkeit in Teilzeit zu erlauben.

Nicht zuletzt sorgt eine miese Bezahlung für Unmut. Die Lehrer in Sachsen, sagt Ilse Schaad, seien »die am schlechtesten bezahlten in der Bundesrepublik«. In der Regel seien sie eine Tarifgruppe tiefer eingestuft als ihre Kollegen in anderen Bundesländern. Wie Lehrer eingestuft werden, ist bisher nicht in Tarifverträgen geregelt, sondern Sache der Länder. In Sachsen hat die Koalition aus CDU und FDP gerade ein wenig Großmut bewiesen und für die Lehrer an Grundschulen die Höhergruppierung in Aussicht gestellt; ihre Kollegen an Mittel- und Förderschulen gehen aber leer aus.

Die GEW will derlei Entscheidungen nach Gutdünken ein Ende bereiten: Wenn ab Ende Januar im Bund über einen neuen Tarifvertrag verhandelt wird, soll es auch um die Einstufung in Tarifgruppen gehen, sagt Ilse Schaad. Komme es nicht zu einer übergreifenden Regelung, droht »ein Auseinanderfallen« bei den Arbeitsbedingungen, warnt die GEW-Frau: Bereits jetzt erhalte ein beamteter Lehrer in Bayern zwölf Prozent mehr Gehalt als sein Kollege in Berlin.

Die Gewerkschaft warnt davor, dass in Zukunft »die reichen Länder die besseren Lehrer haben und die armen die schlechteren«. Sachsen etwa gelte bereits jetzt als ausgesprochen unattraktiv, sagt Gerold. Und Weichert berichtet von Referendaren an Grundschulen, die in der Region Zwickau die Arbeit aufgenommen hätten - aber auf befristeten Arbeitsverträgen bestanden hätten: »Sobald in Bayern Stellen frei werden, sind die Kollegen hier wieder weg.«


Ohne Einstufung

In der Regel legen Tarifverträge fest, in welche Gehaltsstufen Beschäftigte unter welcher Bedingung eingruppiert werden. Im öffentlichen Dienst gibt es Regelungen »selbst für Baggerfahrer oder für Binnenschiffer«, sagt die GEW - nur für die 200 000 angestellten Lehrer, die neben 650 000 mit Beamtenstatus in der Bundesrepublik arbeiten, nicht. 2013 sollen nun derlei Festlegungen erkämpft werden. (hla)

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