Ab Februar keine »FR«?

Wolfgang Storz war von 2002 bis 2006 Chefredakteur der »Frankfurter Rundschau«

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Die »Frankfurter Rundschau« ist insolvent. Wenn nicht vor Februar jemand mit viel Geld einsteigt, wird die Zeitung eingestellt. Was glauben Sie, wie es kommen wird?
Storz: Es werden zwei Möglichkeiten diskutiert: neue Kapitalgeber und Genossenschaftsmodell. Wie auch immer - die »FR« ist in Profil und Auflage abgemagert bis auf die Knochen. Vielleicht bleibt noch eine digitale Ausgabe übrig.

Sie gehen also davon aus, dass die papierne Ausgabe ab Februar tatsächlich eingestellt wird?
Selbst wenn sich ein Verleger im Rhein-Main-Gebiet dafür interessiert, sie als eine von mehreren Regionalzeitungen fortzuführen, wird von der »Frankfurter Rundschau« nur noch der Name übrig bleiben. Sie wollte ja immer überregional eine wichtige publizistische Stimme deutlich links von der »Süddeutschen Zeitung« sein. Dieser Anspruch ist bereits mit dem Einstieg des Verlegers Alfred Neven-DuMont vor einigen Jahren aufgegeben worden zugunsten einer Positionierung im Sinne eines publizistisch eher vielfältigen Generalanzeigers.

Vor Jahren schrieben Sie einmal, dass Sie sich wunderten, dass sich nicht Gewerkschaften, Stiftungen und ähnlich orientierte Institutionen zusammentun, um eine Zeitung zu finanzieren, die diese Klientel bedient. Wäre jetzt der Zeitpunkt dafür?
Ich habe damals nur festgestellt, dass viele Verbände und Organisationen, die sich im weitesten Sinne links des Mainstreams einordnen, oft klagen, der emanzipative und aufklärerische Journalismus habe keinen Platz mehr. Nun gibt es heute dank der neuen Kommunikationstechniken die Möglichkeit, mit viel weniger Kapital als früher beispielsweise eine linksliberale digitale Tageszeitung auf die Beine zu stellen. Die erwähnten Organisationen und Stiftungen müssten dafür vergleichsweise wenig Geld aufbringen, aber den festen Willen, eine solche Redaktion inhaltlich und fachlich unabhängig arbeiten zu lassen. Und ob sie diese Toleranz aufbringen, da bin ich ziemlich skeptisch.

Zu den Ursachen für diese Insolvenz zählt zum einen die von Ihnen genannte Abkehr vom althergebrachten liberalen Kurs der »FR« unter der jetzigen Haupteigentümerin M.DuMont Schauberg. Es gibt aber auch Leute die sagen, dass das Milieu, das die »FR« traditionell hauptsächlich ansprach, kleiner wird: die gut situierte sozialdemokratisch orientierte Mittelschicht. In welcher dieser beiden gegensätzlichen Spekulationen steckt mehr Wahrheit?
Die »Frankfurter Rundschau« war nie eine Milieuzeitung wie beispielsweise die »taz«. Ich denke nicht, dass die »FR« in Schwierigkeiten gekommen ist, weil sie eine linke und linksliberale Marke war. Schon in den 1980ern und 1990ern wurde vom damaligen Management versäumt, in Frankfurt und vor allem im Rhein-Main-Gebiet ein starkes Fundament aufzubauen. Nur wer das breite Fundament im Regionalen hat, kann die Spitze, das Überregionale, auf Dauer solide finanzieren. Dass die »FR« seit dem Einstieg von Dumont-Schauberg insgesamt 30 000 Käufer verloren hat und sich der bereits vorhandene Prozess des Niedergangs beschleunigte liegt wohl an dem grundsätzlich anderen Kurs, der damals eingeschlagen wurde: Umstellung aufs Tabloid-Format, eine gewisse Boulevardisierung und die starke Einschränkung der zuvor aufgebauten regionalen Angebote.

Interview: Ralf Hutter

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