Bedrohliche Marktmacht
Mit Glencore-Xstrata entsteht ein neuer Bergbauriese / Kritiker weisen auf Menschenrechtsverletzungen hin
Der Mann hinter dem Deal, der noch im Herbst zu platzen drohte und dem die Kartellbehörden mehrerer Länder noch zustimmen müssen, heißt Ivan Glasenberg. Der bisherige Glencore-Chef soll auch den neuen Giganten leiten, der Glencore-Xstrata heißen wird. Zugleich ist Glasenberg mit 8,8 Prozent der Anteile größter Einzelaktionär - und damit unbestritten der starke Mann. »Macht« ist sein Stichwort: Mehr Preismacht werde durch die neue Größe erreicht, ließ Glasenberg vorab verlauten.
Soll heißen: Der neue Konzern, der von der Suche über die Erschließung und Förderung bis hin zu Verarbeitung, Transport und Verkauf alle Schritte der Wertschöpfung kontrolliert, kann noch mehr als bisher die Preise bestimmen und Kosten drücken - mindestens 500 Millionen Dollar sollen schon im ersten Jahr eingespart werden. »Und es ist ja klar, auf wessen Kosten das geschieht«, ärgert sich Stephan Tschirren von der Schweizer Menschenrechtsorganisation Multiwatch: »Das wird auf dem Rücken der Ärmsten ausgetragen, die im Umfeld der Minen arbeiten.«
Beiden Konzernen werfen Kritiker seit langem Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung und Unterdrückung vor. »Die reden nicht mit den Menschen vor Ort, die entscheiden über die Köpfe hinweg und setzen Gewalt ein«, sagt Eva Schmassmann von der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz. Beispiel Xstrata: Auf den Philippinen stürmten Soldaten im Oktober das Haus von Daguel Capion, der Proteste gegen den geplanten Gold- und Kupferabbau einer Xstrata-Tochter nahe seiner Heimatstadt Kiblawan anführt. Capion konnte zwar entkommen, seine Frau und die beiden Söhne (8 und 13) wurden jedoch erschossen.
Dem Rohstoffhändler Glencore wirft ein ausführlicher Bericht, den die Schweizer Nichtregierungsorganisationen »Brot für alle« und »Fastenopfer« gemeinsam mit kongolesischen Menschenrechtsaktivisten erstellt haben, unter anderem vor, Kupfer und Kobalt über Umwege von »Mineuren« zu kaufen - armen Schluckern, die in der Gegend von Tilwezembe in der Katanga-Provinz mit bloßen Händen ohne Sicherheitsvorkehrungen schürfen. Unter den 1600 »Mineuren« sollen 700 Frauen und Kinder sein. Der Sprecher von Glencore, Simon Buerk, stellte dies anders dar: »Das Abbaugebiet ist besetzt worden, Glencore profitiert in keiner Weise davon.«
Was die neue »Preismacht« bedeuten könnte, zeigt sich zudem auf den Märkten. Beispiel Zink: Glencore beherrscht 60 Prozent des Welthandels mit dem Metall. Durch Einlagerung immenser Vorräte in diesem Jahr soll Glencore das Angebot künstlich verknappt und damit die Preise in die Höhe getrieben haben.
Besonders sorgt die Menschenrechtler, dass selbst kleine Fortschritte wie die Unterzeichnung von Selbstverpflichtungen bei Xstrata durch die Megafusion rückgängig gemacht werden könnten. »Der neue Konzern wird noch schwieriger zu kontrollieren sein, die Marktmacht ist bedrohlich«, glaubt Stephan Tschirren.
Zahlen und Fakten
Die Glencore International AG mit Sitz im Schweizer Kanton Zug ist der weltgrößte Rohstoffhändler. Das Kunstwort Glencore steht für »Global Energy Commodity and Resources«. Im Jahr 2011 erwirtschaftete der Konzern einen Umsatz von 186,2 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 4,3 Milliarden. Glencore beschäftigt rund um den Globus 3000 Mitarbeiter im Bereich Vermarktung sowie 58 000 Mitarbeiter in Indus-triebereichen. Das Geschäft umfasst Handel, Förderung, Verarbeitung, Lagerung und Transport von Metallen und mineralischen Rohstoffen wie Aluminium, Kupfer, Blei, Eisenerz, Nickel und Kobalt, Energieprodukte wie Öl und Kohle sowie Agrarprodukte wie Getreide, Ölsaaten und Zucker. nd
Xstrata plc ist im Schweizer Steuerparadies Zug und in London angesiedelt. In der jetzigen Rechtsform wurde der Konzern erst vor rund zehn Jahren gegründet und expandierte seither rasant. Xstrata gehört zu den weltweit führenden Produzenten u.a. von Metalllegierungen, Kohle, Kupfer, Nickel und Zink. Für Bergbaufirmen und die mineralverarbeitende Industrie bietet Xstrata Technologielösungen an. Der Konzern beschäftigt rund 70 000 Mitarbeiter in gut 20 Ländern. In Deutschland betreibt er eine Zinkhütte in Nordenham. 2011 betrug der Umsatz 33,9 Milliarden Dollar und der operative Gewinn 11,7 Milliarden. Zuletzt gab es wegen des Preisverfalls bei einigen Metallen einen starken Gewinnrückgang. nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.