Medizinleistungen im Test?
Gesundheitsbranche wünscht sich Stiftung als Verkaufsmotor
Die »Initiative Gesundheitswirtschaft«, eine Vereinigung von Managern und Unternehmern aus der Branche, hat bereits Vorstellungen von einer solchen Stiftung. Sie setzt den informierten Patienten voraus, der zum Konsumenten wird und nicht nur Grippemittel kauft, sondern auch Zusatzversicherungen, sich in Hausarztverträge einschreiben lässt und nicht zuletzt für die Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) zahlt. Um so mehr Informationen gut aufbereitet vorlägen, um so tiefer griffen die Kunden in die Tasche, so die Hoffnung. Sogar eine »Markenmedizin« sieht Heinz Liebmann, Vorsitzender der Initiative, im Kommen: Voraussetzung dafür wäre eine geplante und strukturierte Behandlung, der medizinische Prozess als künftiger Mittelpunkt des Gesundheitsmarktes.
»Gesundheitswirtschaft ist aber nicht gleich Gesundheitswesen«, wirft Stefan Etgeton ein, der nach vielen Jahren als Verbraucherschützer nun für die Bertelsmann Stiftung Berlin tätig ist. Die Stiftung führt die »Weiße Liste« - ein Portal zur Krankenhausbewertung. Sie basiert auf Qualitätsberichten der Kliniken und Patientenerfahrungen. Aber auch hier gibt es deutliche Transparenzdefizite: Wenn Deutschland bei der Bekämpfung multiresistenter Keime weiter deutlich gegen Dänemark oder die Niederlande abfällt, könnte es nützlich sein, die Kliniken zur Veröffentlichung von Hygienestandards und -ergebnissen zu verpflichten. Ärzte und Krankenkassen dürften bei der »Weißen Liste« nicht an der strategischen Steuerung mitwirken, so Etgeton.
Die Unabhängigkeit einer Stiftung Gesundheitstest bereitet einiges Kopfzerbrechen. Auch Portale wie die zur Ärztebewertung müssen damit leben, dass die Praxen unter Umständen selbst bei den Einträgen »mitmischen«. Andere Bewertungsportale stehen erst am Anfang, so der IGeL-Monitor, der noch nicht einmal 30 der vielen hundert Angebote untersucht hat, die in den Arztpraxen verkauft werden und insgesamt einen Markt von 15 Milliarden Euro ausmachen.
Aber nicht nur das riesige Spektrum der medizinischen Angebote erschwert eine Bewertung: Die Interessenten sind Individuen mit unterschiedlicher Krankengeschichte, verschiedenen Befunden und einer begrenzten Mobilität. Hier wird in der Regel nicht - wie beim Müslitestsieger der Stiftung Warentest, der in jedem Supermarkt zu erwerben ist - nach einem genormten Produkt gesucht.
Holger Brackemann leitet den Bereich Untersuchungen bei der Stiftung Warentest. Er weist darauf hin, dass auch Dienstleistungen standardisiert verglichen werden: Realisiert wurde das schon für die ästhetische Chirurgie oder die Kieferorthopädie bei Jugendlichen mit Zahnfehlstellungen. Brackemann räumt ein, dass im medizinischen Bereich aber auch methodische Grenzen erreicht würden und es sich nur um Stichproben handeln könne. Der Erkenntnisgewinn kann aus seiner Sicht aber auch in einer Checkliste liegen, die Patienten für Krankenhäuser oder Praxen nutzen.
Obwohl es im Titel der Veranstaltung um die »Patientensouveränität« ging, waren Vertreter dieser Gruppe nicht auf dem Podium zu finden. So spiegelte die Debatte neben ungelösten methodischen Fragen vor allem den Wunsch der Gesundheitswirtschaft, mit einer neuen Test-Stiftung den Verkauf von Waren und Dienstleistungen der Branche kräftig anzukurbeln.
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