Der Gott des Winters

Frank Ullrich will als neuer Bundestrainer die deutschen Skilanglaufläufer wieder an die Weltspitze heranführen

  • Erik Roos, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Frank Ullrich holte im Biathlon Medaillen am Fließband, jetzt soll der 54-Jährige dem deutschen Skilanglauf neues Leben einhauchen. Der Nachfolger von Jochen Behle gilt als harter, aber stets fairer Bundestrainer.

»Opa Uller« steht auf seiner Lieblingsmütze. Zumindest auf dem Kopf hat Frank Ullrich seine Enkelin immer mit dabei, zu Gesicht bekommen wird der stolze Großvater die kleine Nele in diesem Winter aber kaum. Denn Frank »Uller« Ullrich hat eine Mission: Als Nachfolger von Jochen Behle soll der neue Bundestrainer dem deutschen Skilanglauf wieder auf die Beine helfen. Und das kostet nicht nur viel Kraft, sondern auch sehr viel Zeit.

»Wenn ich nur an die Flüge denke: Stockholm, Gällivare, Kuusamo, Helsinki, München, Montreal, Quebec. Dann ist Weihnachten, und dann geht es erst richtig los«, sagt Ullrich vor dem Weltcupstart am Sonnabend im schwedischen Gällivare. Im Biathlon sei das anders gewesen, entspannter, so der 54-Jährige. Er muss es wissen: Von 1998 bis 2010 gewann der Vollblut-Wintersportler als Trainer der deutschen Skijäger Medaillen am Fließband.

Mit den Langläufern, das weiß auch der Deutsche Skiverband (DSV), sind solche Erfolge im kommenden WM-Winter ausgeschlossen. »Speziell bei den Frauen werden wir sicher nur vereinzelt um die vorderen Ränge mitlaufen können«, sagt DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller. Doch mit Blick auf Olympia 2014 soll es wieder aufwärtsgehen. Dank Ullrich, der »bereits einige positive Dinge bewirkt« habe. So führte der neue Bundestrainer ältere und jüngere Athleten in den Lehrgängen zusammen, von einstiger »Gruppenbildung« ist keine Rede mehr.

Dort, in den Trainingslagern, verschaffte sich Ullrich im Sommer gehörig Eindruck. Am Gardasee etwa fuhr er an der Seite seiner Schützlinge auf dem Mountainbike die Berge empor - und kam nie als Letzter an. Ullrich, 1980 in Lake Placid erster deutscher Biathlon-Olympiasieger, hält bis heute sein Wettkampfgewicht. Die Strecke von seinem Wohnsitz im thüringischen Suhl nach Oberhof radelt der Mountainbike-Freak ebenfalls regelmäßig ab, den 500 Höhenmetern zum Trotz.

Der »Bundes-Jogi der Langläufer«, wie auf der Internetseite des Oberhof-Weltcups zu lesen ist, gilt als echter Experte. Er sei ein Sportverrückter, sagen Beobachter, besessen von Trainingsmethodik und Sportwissenschaft. Als Nachwuchstrainer soll er innerhalb weniger Monate alle Stützpunkte in Deutschland besucht und etliche Konzepte geschrieben haben. Aber Ullrich kann auch knallhart sein. Mit dem dreimaligen Biathlon-Olympiasieger Michael Greis zoffte er sich einst öffentlich, später begruben beide das Kriegsbeil.

Dinge, über die Ullrich weniger gerne spricht, sind der Tod seiner ersten Frau und spätere Dopingvorwürfe. Als 1982 seine Frau im Sterben lag, musste der neunmalige Weltmeister im Trainingslager der DDR-Athleten bleiben. Wenig später beendete er seine Karriere. Im Jahr 2009 wurden Vorwürfe laut, er habe als DDR-Trainer von Dopingpraktiken gewusst, diese sogar aktiv unterstützt. »Diese Anschuldigungen sind ganz einfach falsch«, sagt Ullrich. Eine eigens einberufene DSV-Kommission bestätigte das.

Als Jochen Behle im Frühjahr nach zehn erfolgreichen Jahren zurücktrat, fiel die Wahl daher schnell auf Ullrich. Dabei wollte der Umworbene erst gar nicht. »Ich bin von einem ganz klaren nein zu einem klaren ja gekommen. Eigentlich hatte ich im Nachwuchsbereich viel Spaß«, sagt Ullrich. »Dann habe ich aber viele Anrufe bekommen mit der Bitte um Hilfe. Ich habe selber gesehen, dass ich die Sportler nicht im Stich lassen und den Job bis 2014 machen will.«

Eine einfache Aufgabe wird das nicht. Noch immer gibt die »Rentnerband« Tobias Angerer (35/Vachendorf), Axel Teichmann (33/ Bad Lobenstein) und Jens Filbrich (33/Frankenhain) den Takt vor, der Nachwuchs kommt nur sehr langsam in Schwung. »Wir wollen dennoch versuchen, wieder etwas näher an die Weltspitze heranzurücken. Wenn wir uns kontinuierlich nach vorne arbeiten, sind wir sicher wieder in der Lage, Medaillen zu gewinnen«, sagt Ullrich mit Blick auf die WM Ende Februar in Val di Fiemme.

Bis dahin wird »Opa Uller« seine Sportler zu Höchstleistungen treiben. Die Vorzeichen lassen einiges erwarten: In der nordischen Mythologie ist »Uller« der Gott des Winters.

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