Schlecht ausgeführter Winterdienst - kann Bezahlung gekürzt werden?
Räum- und Streupflichten im Winter
Während die Auftraggeber wegen mangelhafter Leistung die Rechnungen kürzten, forderten die Anbieter unter Berufung auf die gesetzlichen Regelungen über den Dienstvertrag die Vergütung und waren oft erfolgreich.
Die Grundstückseigentümer stehen hier nicht länger derart schutzlos da. In der erstinstanzlichen Rechtsprechung sind die Stimmen, die die Anwendung der werkvertraglichen Regeln für richtig erachten, in den letzten zwei Jahren ungleich zahlreicher geworden. Die Auftraggeber konnten so Nachbesserung fordern oder selbst durchführen, die Vergütung mindern oder zurücktreten und Schadenersatz verlangen.
Auftraggeber darf bisher nur kündigen
Da die rechtliche Situation derzeit noch so uneinheitlich ist und selbst innerhalb der Amtsgerichte die einzelnen Richter mitunter unterschiedlich entscheiden, soll im Folgenden kurz auf die rechtliche Einordnung des Vertrages eingegangen werden, die den Umfang der Rechte des Auftraggebers bestimmt. Die aufgezeigten Argumente können zur Prüfung des eigenen Vertrags und gegebenenfalls als Anhaltspunkte für eine Rüge des Anbieters dienen.
Die vertragliche Grundlage des Winterdienstes kann und wird variieren. Der Mindestinhalt ist jedoch zumeist die Räumung und das Bestreuen einer Verkehrsfläche in einem bestimmten Zeitraum, teilweise auch als Übernahme der Verkehrssicherungspflicht für diese Fläche bezeichnet. Die Gerichte (etwa Landgericht Berlin vom 27. April 2012, Az. 50 S 53/11; Landgericht Potsdam vom 28. Juni 2011, Az. 10 O 264/10) haben diese Winterdienstverträge als Dienstverträge eingestuft und dem Auftraggeber lediglich ein Kündigungsrecht zugesprochen.
Zahlen, auch wenn der Schnee liegen blieb
Der Auftraggeber musste also auch bei unzureichendem Winterdienst die bis dahin angefallene, volle Vergütung zahlen, durfte aber das Vertragsverhältnis, auch fristlos, kündigen. Diese Rechtsprechung ist zu Recht auf großes Unverständnis gestoßen, auch weil eine fristlose Kündigung des Winterdienstes mitten im Winter keine realistische Option ist. Kurzfristig einen anderen Anbieter zu verpflichten, ist schier aussichtslos. So müsste der Auftraggeber den Winterdienst in dieser Situation wieder selbst übernehmen und stünde zudem auch wieder in der Haftung.
Als Begründung für die Annahme eines Dienstvertrags wurde auf die vereinbarte Leistung Bezug genommen. So sollte der Winterdienst die dem Auftraggeber obliegende »Verkehrssicherungspflicht« übernehmen, also einerseits das Wetter überwachen und andererseits bei Vorliegen entsprechender Wetterlagen Schnee räumen und Glatteis bekämpfen.
Bei dieser Art der Verträge sind die Räumungsarbeiten stets geschuldet, was sich schon daraus ergibt, dass eine Pauschalvergütung für die gesamte Saison vereinbart wurde. Sie ist auch dann zu zahlen, wenn mangels Schnee und Eis gar keine Beseitigungsmaßnahmen erforderlich sind. Im Vertragszeitraum (zumeist sechs Monate) muss der Winterdienst sich bereit halten und jeden Tag aus eigener Verantwortung entscheiden, ob geräumt und gestreut werden muss, sowie dann die entsprechenden Räumarbeiten auch ausführen. Dies soll den Schluss nahelegen, dass hier nur die Summe der vorgenannten Einzeltätigkeiten als solche jeden Tag aufs Neue geschuldet sei, wie es für Dienstverträge kennzeichnend sei.
Dabei wird bei dieser Auslegung der Verträge die Absicht der Auftraggeber, bei Schnee und Eis eine bestimmte Fläche beräumt und gestreut vorzufinden, mithin einen konkreten Erfolg zu sehen, weitestgehend außer Acht gelassen. Der Grundstückseigentümer will sicher stellen, dass die Flächen sicher sind und er nicht haftbar gemacht werden kann. Auch will er den Anbieter erforderlichenfalls unter Druck setzen können, da er die Arbeiten oft gar nicht selbst ausführen kann.
Auftraggeber hat nun ein Minderungsrecht
Da die Auslegung von Verträgen aber in Ansicht der Interessen beider Parteien zu erfolgen hat, liegen jetzt vermehrt erstinstanzliche Entscheidungen und auch der deutliche Hinweis einer Berufungskammer vor, die von einem Werkvertrag ausgehen und den Auftraggebern zumindest teilweise Minderungsrechte zusprechen, beispielsweise Amtsgericht Berlin-Mitte vom 1. Februar 2012, Az. 29 C 54/10; Landgericht Berlin, Hinweisverfügung vom 21. Juli 2011, Az. 57 S 113/11.
Ein weiteres gewichtiges Argument sind hierbei die insbesondere von größeren Anbietern verwendeten Vertragsbestimmungen (AGB), wonach der Anbieter zunächst nachbessern darf. Denn dieses Recht findet man nur im Werkvertragsrecht. Insoweit versuchen diese Anbieter sich die Rosinen (hier: Gewährleistungseinschränkung) aus dem einen Rechtsgebiet herauszupicken und den Vertrag aber gleichzeitig in einem anderen Rechtsgebiet zu verorten, um Kürzungsrechte auszuschließen.
Wenn der Winterdienst bestimmte Aufgaben nicht erfüllt (zum Beispiel Teilfläche bleibt unberäumt), unzuverlässig ist und mitunter gar nicht erscheint oder nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit arbeitet, sollte der Auftraggeber sofort eine entsprechende Meldung an den Anbieter absetzen. Wenn man der werkvertraglichen Auslegung folgt, ergibt sich:
Die Nachbesserung der Arbeiten wird in den meisten Fällen nicht mehr möglich sein, weil es für die Anbieter zeitlich nicht zu realisieren ist. Hier muss der Auftraggeber aber wieder selbst für den Winterdienst sorgen, denn die Haftung für die Verkehrsflächen obliegt ihm weiterhin. Alternativ könnte er ein anderes Unternehmen beauftragen und die Kosten ersetzt verlangen. So die Bezahlung des Winterdienstes gekürzt wird, sollte dies angekündigt und zeitanteilig berechnet und Zahlung unter Vorbehalt geleistet werden. In jedem Fall sollten die Mängel so gut wie möglich zu Beweiszwecken dokumentiert werden.
Letztlich entscheidet der Bundesgerichtshof
Da sich zwei Auffassungen herausgebildet haben, die von einer Vielzahl von Gerichten vertreten werden, hat das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 27. April 2012 zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, der die Frage der Einordnung des Winterdienstvertrages abschließend klären muss.
CHRISTIAN KLIE,
Rechtsanwalt, Berlin
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