Ägypten kommt nicht zur Ruhe

Neue Auseinandersetzungen in Kairo und anderen Großstädten

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 2 Min.
Auch am Tag nach dem größten Oppositionsprotest seit dem Sturz des früheren ägyptischen Machthabers Husni Mubarak hat sich die Lage in Ägypten nicht beruhigt.

Der Tahrir-Platz bleibt im Mittelpunkt des Geschehens. Einen Tag, nachdem 300 000 Menschen allein in Kairo gegen Präsident Mohammed Mursi protestiert haben, gingen am Mittwoch in der Nähe der US-Botschaft unweit des Tahrir-Platzes Polizisten mit Tränengas gegen Demonstranten vor. Am Dienstag war ein Passant durch das Einatmen von Tränengas ums Leben gekommen. Bisher sind drei Menschen bei den Protesten gestorben.

Auch in anderen Städten Ägyptens war es zu teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Anhängern von Präsident Mursi gekommen. In Alexandria, Suez, Minja und Assiut sowie in der Industriestadt Mahalla el Kobra wurden dabei auch die Büros der Muslimbruderschaft angegriffen. Ägyptische Medien berichteten von 300 Verletzten allein in Mahalla. Die Muslimbrüder hätten schließlich den Beistand des Militärs angefordert, um ihre Büros zu schützen.

Der Oberste Berufungsgerichtshof trat derweil aus Protest in den Streik und folgte damit einem Aufruf der Richtervereinigung vom vergangenen Wochenende. Der Berufungsgerichtshof habe »die Arbeit vollständig eingestellt«, berichtete die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur Mena am Mittwoch. Die Richter wollten ihre Arbeit erst wieder aufnehmen, wenn Präsident Mursi den Verfassungszusatz, der seine Entscheidungen unangreifbar macht, wieder aufgehoben habe. Die Muslimbruderschaft, die Mursi im Frühjahr als Kandidaten für die Präsidentschaftswahl aufgestellt hatte, wirft den Richtern vor, sie seien korrupte Überbleibsel des alten Regimes unter Husni Mubarak.

Die stark zersplitterte Opposition in Ägypten scheint angesichts der massenhaften Proteste neues Selbstbewusstsein zu schöpfen. Die kürzlich gegründete Starke Partei Ägyptens, die von dem früheren Mitglied der Muslimbruderschaft Abdul Moneim Abul Fotouh angeführt wird, hat für kommenden Freitag zu einem Marsch zum Präsidentenpalast aufgerufen, um gegen die Verfassungserklärung Mursis zu protestieren. Die Partei forderte außerdem, für die Generalstaatsanwaltschaft und das Oberste Gericht klare Prinzipien und Regeln auszuarbeiten, nach denen Personen in diese Ämter befördert werden können. Auch das Zeltlager von Mursi-Gegnern auf dem Tahrir-Platz erhält weiter Zulauf.

Die Muslimbrüder kündigten ihrerseits Kundgebungen zur Unterstützung Mursis für kommenden Sonnabend an. Eine Großdemonstration sei in Kairo geplant, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP. Eine für Dienstag vorgesehene Kundgebung hatte die Muslimbruderschaft abgesagt, um Gewalt zu vermeiden.

Der internationale Flughafen von Kairo verzeichnete einen enormen Rückgang an Buchungen, die Börse stürzte den vierten Tag in Folge in den Keller.

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