Merkels Leoparden

Die Bundesregierung setzt in ihrer Außenpolitik verstärkt auf Rüstungsexporte

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Geheim bleibt geheim, wenn es um Rüstungsexporte geht, ließ die Bundesregierung am Montag mitteilen. Man sehe »keinen Grund, an dieser Staatspraxis, die seit Jahrzehnten geübt wird, etwas zu ändern«, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Oft erfährt man erst mit monatelanger Verzögerung im regierungsoffiziellen Rüstungsexportbericht, wohin deutsche Waffen geliefert wurden. Begründet werden Entscheidungen auch dann nicht. Dabei besteht nach den jüngsten Enthüllungen über geplante Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Israel erheblicher Informationsbedarf. »Der Bundessicherheitsrat hat in seiner letzten Sitzung einmal mehr zur weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens beigetragen, indem er den Export von Waffen für den Häuserkampf an die israelische Armee genehmigte und Möglichkeiten zum Export von Radpanzern des Typs Boxer an Saudi-Arabien prüft«, kritisiert etwa Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.

Saudi-Arabien hatte schon zuvor großes Interesse an deutschen Kampfpanzern vom Typ »Leopard 2« gezeigt - wozu sich Seibert auch gestern nicht äußern wollte. Er würdigte die autoritär regierte Monarchie mit ihrer desaströsen Menschenrechtspolitik allerdings als »Stabilitätsfaktor in der Region« - wovon etwa die Oppositionsbewegung im benachbarten Bahrain ein Lied singen kann. Als der »Arabische Frühling« auch das kleine Königreich am Persischen Golf erreichte, schickte Riad Truppen, um die Proteste niederzuschlagen. Deutsche Waffenschmieden lieferten in den beiden letzten Jahren an Saudi-Arabien Kriegsgüter im Wert von über 290 Millionen Euro.

Im Sommer ließ Krauss-Maffei ein Exemplar des »Leopard 2« in der saudischen Wüste testen, unter Aufsicht eines Bundeswehroffiziers. Ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung eine Voranfrage aus Riad zum Kauf von 270 Kampfpanzern positiv beschieden. Auch Katar ist stark interessiert, von 200 Panzern ist dort die Rede - ein Waffendeal mit einem Volumen von fast zwei Milliarden Euro. Deutschen Rüstungskonzernen muss also auch in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht bange sein. Laut Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI haben sie zwischen 2007 und 2011 ihre Exporte überdurchschnittlich gesteigert, um ein Viertel gegenüber den fünf Jahren zuvor. Deutschland belegt hinter den USA, die einen Anteil von 30 Prozent an den weltweiten Waffenverkäufen haben, und Russland (24) mit neun Prozent Platz drei. Dabei war Griechenland mit 13 Prozent des Gesamtvolumens der größte Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Israel und die Türkei bestellten U-Boote bei der Kieler Werft HDW. Die Konzerne Rheinmetall und MAN wollen den Transportpanzer Fuchs künftig in Algerien produzieren. In Saudi-Arabien baut die EADS-Tochter Cassidian eine Grenzsicherungsanlage...

Zwar ist die Ausfuhr von Kriegswaffen laut jüngstem Rüstungsexportbericht Berlins im Vorjahr zurückgegangen, vom Rekordwert 2,1 Milliarden Euro 2010 auf 1,28 Milliarden Euro. Doch hat Schwarz-Gelb zugleich deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigt: 5,4 Milliarden Euro, sind ein Plus von fast 14 Prozent. Rund 42 Prozent dieser künftigen Lieferungen sind für »Drittstaaten« bestimmt, darunter viele autoritär geführte Länder wie Saudi-Arabien, Algerien, das u.a. Transportpanzer im Wert von 217 Millionen Euro erhalten soll, oder die Vereinigten Arabischen Emirate, auf die Genehmigungen im Wert von 357 Millionen Euro entfallen, etwa für Torpedos, Sprengvorrichtungen, Minenjagdboote. Die indonesische Regierung erwartet demnächst die erste Lieferung von insgesamt 100 Leopard-Kampfpanzern und 50 Marder-Schützenpanzern.

In diesem Jahr wurden bereits sechs Hermes-Bürgschaften freigegeben, mit denen Berlin Waffengeschäfte staatlich absichert. Darunter sind politisch so brisante Garantien wie jene für Ägypten über 700 Millionen Euro und für Israel über 405 Millionen zum Kauf von U-Booten der HDW in Kiel. So wird vorangetrieben, was Kanzlerin Angela Merkel unlängst zur außenpolitischen Doktrin erklärt hat: die Durchsetzung geostrategischer Interessen Deutschlands mit Hilfe verstärkter Rüstungsexporte.

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