Investoren auf dem Holzweg
Eine Gemeinde in Mosambik wehrt sich gegen den Ausverkauf ihres Landes
Bis vor wenigen Jahren noch konnte die Gemeinde unbehelligt auf ihren Feldern arbeiten und Mais, Bohnen, Maniok und Gemüse anbauen. Aber dann wurde Mosambik zum Boomland für die Agroforstwirtschaft. Damit änderte sich schlagartig auch das Leben der Bewohner von Mutapwa. Augusto Canhava, ist der Dorfchef und eigentlich ein fröhlicher Mensch. Er erklärt, was sich seit 2009 in seiner Heimat verändert hat: »Beinahe hätten wir unser gesamtes Land an eine Eukalyptusplantage verloren«, sagt er, »doch dank der Unterstützung von ORAM konnten wir unser Land verteidigen.« ORAM, eine mosambikanische Nichtregierungsorganisation, setzt sich seit Jahren erfolgreich für die Rechte von Kleinbauern ein. So auch im Fall von Canhavas Gemeinde im Distrikt Mecuburi in der Provinz Nampula.
Doch der Reihe nach.
Die weltweite Nachfrage nach Holz steigt - und viele Investoren versprechen sich davon hohe Gewinne. Auch die Pläne und Ziele von Lurio Green Resources (LGR) in Mosambik sind sehr ehrgeizig: Die Tochterfirma des norwegischen Konzerns Green Resources will auf 126 000 Hektar schnell wachsende Hölzer, vor allem Eukalyptus, anbauen. Das so gewonnene Holz soll zum einen CO2 binden und so zum Klimaschutz beitragen, und zum anderen sollen Bauholz, Energie und Zellstoff produziert werden. Die mosambikanische Regierung hat das Großprojekt im März 2009 genehmigt.
Und dies ist auch der Grund, weshalb Augusto Canhava das Lachen beinahe vergangen wäre: »Eigentlich hatten wir schon alles Land an LGR verloren«, sagt der Regulo, wie die traditionellen Dorfchefs in Mosambik genannt werden. »Aber seit wir unser Land vermessen und uns in einem Landkomitee zusammengeschlossen haben, geht es uns deutlich besser. Das haben wir vor allem der Zusammenarbeit mit ORAM zu verdanken«.
Als Vertreter von LGR im Juli 2009 zum ersten Mal in die Gemeinde kamen, waren die Gespräche kurz: In nur eineinhalb Stunden waren große Teile des Gemeindelandes an den Konzern vergeben. Das mosambikanische Landrecht sieht Konsultationsgespräche zwingend vor, wenn Investoren Gemeindeland nutzen wollen. Land ist in Mosambik in Staatsbesitz. Der Staat vergibt die Nutzungsrechte. Bäuerliche Gemeinden werden im Landgesetz besonders berücksichtigt und können sich auf Gewohnheitsrechte und ein traditionelles Nutzungsrecht berufen. Somit haben sie - zumindest in der Theorie - ein im Gesetz verankertes Recht auf Land. Wenn Investoren oder andere Interessenten das Gemeindeland oder Teile davon nutzen wollen, müssen sie dies im Rahmen von öffentlichen Anhörungen, den sogenannten Gemeindekonsultationen, mit den Betroffenen verhandeln. Genau hier liegt aber häufig der Knackpunkt: Die Dauer und Art und Weise dieser Konsultation ist nicht vorgeschrieben und folgt keiner besonderen Vorgabe. So konnte es passieren, dass die Gemeinde von Augusto Canhava nach nur 90 Minuten einen Großteil ihres Landes an einen ausländischen Investor verloren hatte. »Das Land, das uns noch geblieben war, war praktisch von den Eukalyptusplantagen eingekreist«, erzählt Canhava. Wir hätten keinen Platz mehr gehabt zum Wachsen. »Wo hätten unsere Kinder ihre Felder bestellen sollen?« Auch die versprochenen Gegenleistungen für das Land waren vage: Lurio Green Resources hatte zwar versprochen, eine neue Schule in der Gemeinde zu bauen, wann und wie das geschehen sollte, war aber nirgends festgelegt.
Im Jahr 2010 kam die Gemeinde in Kontakt mit ORAM. Die Organisation hat die Gemeinde zum Thema Landrechte geschult und sie bei der Einrichtung eines Komitees zur Landverwaltung unterstützt. Dieses Komitee ist es nun, das als Verbindungsglied zwischen den Gemeindemitgliedern und LGR fungiert und das das Plantagenprojekt zugunsten der Gemeinde verändert hat. »ORAM hat uns erklärt, dass das Land uns gehört, welche Rechte uns als Gemeinde eigentlich zustehen und wie wir sie einfordern können«, erzählt Augusto Canhava. In der Gemeinde Mutapwa baut LGR nun auf 142 Hektar Land Eukalyptus an, abseits der Gemüse- und Getreidefelder. Dafür wurde das Gemeindeland neu vermessen und die Flächenvergabe noch einmal nachverhandelt. Alle Familien, die Land verloren haben, haben Ausgleichsflächen und Entschädigungen bekommen. Das Komitee hat zusätzlich mit LGR ausgehandelt, dass auf der Plantage nur lokale Arbeitskräfte eingesetzt werden.
Das Beispiel der Gemeinde Mutapwa hat Schule gemacht: Auch in anderen, vom Eukalyptusprojekt betroffenen Gemeinden, haben sich Komitees zur Landverwaltung gegründet. Alle drei Monate treffen sich die Komitees mit Vertretern von LGR, um sich auszutauschen. Gerade für die Komitees untereinander sind diese Treffen wichtig, um eine gemeinsame Verhandlungsbasis zu entwickeln und diese dann auch gemeinsam gegenüber dem Investor durchzusetzen. Bei der letzen Sitzung Ende September ging es um die Beteiligung der Frauen. Momentan sind etwas mehr als 100 Menschen in der Gemeinde Mutapwa als Saisonarbeiter bei LGR beschäftigt - es sind ausschließlich Männer. Feste Arbeitsplätze gibt es nur wenige. »Unsere Männer verdienen sich neben der Feldarbeit Geld dazu, aber für uns gibt es bei LGR keinen Platz«, sagt Amelia Jacinto, eine Frau aus der Gemeinde. »Viele Arbeiten sind sehr hart, aber wir könnten gut in der Baumschule mitarbeiten.« Allerdings liegen auch hier Probleme: Viele Arbeiten sind zeitlich begrenzt, und zusätzlich rauben sie den Kleinbauern und -bäuerinnen die Zeit, die sie zum Anbau von Nahrungsmitteln benötigen. Insgesamt sind die Bewohner der Gemeinde Mutapwa aber zufrieden mit dem Verlauf des Projekts seit Gründung des Komitees. »Für viele von uns hat sich, dank der Beratung von ORAM, die Situation verbessert«, sagt Antonio Salipa, ein Mitglied des Komitees. »Das kann man bei uns im Dorf auch sehen: Einige von uns in der Gemeinde haben jetzt Zinkdächer und keine Strohdächer mehr«, zählt er auf. »Viele konnten sich ein richtiges Bett kaufen und auch Radios gibt es jetzt in mehreren Familien«.
Trotzdem sind noch viele Fragen rund um das Projekt ungeklärt: Eukalyptus ist eine Pflanze, die einen extrem hohen Wasserverbrauch hat und den Boden schnell austrocknet. In anderen Ländern, wie beispielsweise Brasilien oder Indonesien, in denen der Agroforst-Boom früher eingesetzt hat, lassen sich die desaströsen ökologischen Folgen besichtigen. »Grüne Wüsten« werden die Plantagen dort aufgrund ihrer Eintönigkeit und Artenarmut genannt.
Die Autorin ist INKOTA-Projektreferentin für Mosambik
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