Nicht mehr als eine Doppelspitze
Hans Modrow im nd-Interview über die SPD, Chancen der LINKEN und die Solidarität mit Kuba
Modrow: Peer Steinbrück ist als Kandidat durch seine Honorargeschichten natürlich angeschlagen. Er steht außerdem für die Agenda-Politik und die Beteiligung der SPD an der Großen Koalition. Ich hoffe auf eine Ablösung von Angela Merkel. Aber bisher hat die Sozialdemokratie überhaupt kein eigenes Profil, niemand kann sagen, ob sie nicht doch wieder in eine Beziehung mit der Kanzlerin strebt.
Muss sich die LINKE angesichts der »Beinfreiheit« des früheren Finanzministers eine Kooperation mit der SPD auf absehbare Zeit aus dem Kopf schlagen?
Sie sollte jedenfalls zurückhaltender mit Offerten sein. Ich halte es für falsch, dass die Linkspartei ihren Wahlkampf mit der Botschaft eingeläutet hat, sie sei für ein Bündnis mit der SPD bereit. Erstens können wir nur mit einem eigenen Profil, mit eigenen Forderungen punkten. Und zweitens würde es doch nur zu neuen Auseinandersetzungen innerhalb der LINKEN führen, wenn vor den Wahlen bloß noch über eine Koalition geredet wird. Die Partei sollte diese Kurve nicht nehmen.
Also ein Plädoyer für einen strikten Abgrenzungskurs gegenüber der SPD?
Es geht nicht darum, alle Fäden zur SPD zu durchtrennen und die Sozialdemokraten durch Konfrontation in eine Große Koalition zu treiben. Aber wir müssen doch zur Kenntnis nehmen: Die LINKE steht bei sechs, sieben Prozent und die SPD hat erklärt, nicht mit uns zusammenzuarbeiten. Wer in einer solchen Situation trotzdem vor allem seine Bündnisoptionen betont, wird auf der Strecke bis zum Wahlabend verkümmern. Die LINKE hat gezeigt, dass sie auch in der Opposition politisch etwas verändern kann.
Am großen Rad wird sie in der Opposition aber auf Dauer nicht drehen können. Für wie realistisch halten Sie es, dass sich die Sozialdemokraten wieder als Partei im linken Spektrum positionieren kann.
Die linken profilierten Leute, vor allem Gewerkschafter, sind längst aus der SPD ausgetreten und heute in der Linkspartei aktiv. Ich sehe auch keine wirkliche Auseinandersetzung bei den Sozialdemokraten um den Kurs.
Spricht man mit linken Sozialdemokraten, hört sich das allerdings anders an.
Natürlich bewegt sich auch etwas. Die SPD-Linken wissen, dass ihre Partei keine Chance hat, wenn sie sich nicht den Interessen der einfachen Leute annimmt, nicht wieder die soziale Gerechtigkeit ins Zentrum rückt. Aber dieser Druck ist zu schwach, der Ausgang der Debatte um das Rentenkonzept zeigt das.
Ist die Linkspartei gut beraten, die Frage ihrer Spitzenkandidatur weiter offen zu halten?
Ich mische mich in diese Frage nicht ein. Wovor ich nur warne: mit mehr als einer Doppelspitze in den Wahlkampf zu ziehen.
Warum? Weil die Erinnerung an 2002 noch frisch ist? Damals ging die PDS mit einem Quartett in die Wahl und flog aus dem Bundestag.
Genau. Wir müssen aufpassen, dass unter den aktuellen Bedingungen nicht etwas ähnliches geschieht. Damals ist die PDS zwischen einem rot-grünen und einem schwarz-gelben Lager zerrieben worden. Heute ist die Lage mit den Piraten noch komplizierter Ich behaupte, dass wir es bei der nächsten Bundestagswahl mit einer Situation zu tun bekommen, die es im politischen Geschehen der Bundesrepublik noch nie gab..
Die Grünen haben mit ihrer Urwahl der Spitzenkandidaten für Aufmerksamkeit gesorgt. Wäre das auch was für die LINKE?
Bisher ist doch nur von Gregor Gysi bekannt, dass er für eine Spitzenkandidatur bereit steht. Worüber sollte man also jetzt eine Urwahl abhalten?
Der Ältestenrat der LINKEN hat nach dem Göttinger Parteitag von hoffnungsvollen Ergebnissen und einem Aufwind gesprochen. Bläst der immer noch?
Ich habe es begrüßt, dass Katja Kipping und Bernd Riexinger auf die Partei zugegangen sind. Aber wie geht es nach der Phase des Zuhörens nun weiter? Ich bekomme doch ganz gut mit, dass da immer noch Debatten laufen, bei denen die einen beklagen, dass zu viele aus dem Osten im Parteivorstand sitzen und die anderen meinen, es seien zu wenig Ostdeutsche im geschäftsführenden Vorstand vertreten.
Klaus Ernst und andere Gründungsmitglieder der Wahlalternative fordern in einem aktuellen Buch, die fusionierte LINKE brauche mehr WASG. In den neuen Ländern wird indes auf den »ostdeutschen Erfahrungsvorsprung« verwiesen. Liegt die Zukunft der Linkspartei in der Vergangenheit ihrer Quellorganisationen?
Nein. Das Echo auf das WASG-Buch ist eher gering, der Brief der ostdeutschen Landespolitiker lief ins Leere. Es kann nicht bloß darum gehen, von anderen mehr Respekt einzufordern. Vertrauen beim Wähler erreicht man nur, wenn man zeigen kann: Das ist unser Weg, den gehen wir gemeinsam. Es bleiben nur zwei, drei Monate, ein gutes Wahlprogramm zu formulieren. Wir werden im Ältestenrat darauf drängen, dass diese Zeit genutzt wird.
Sie kommen gerade aus Kuba zurück, haben sich dort mit zahlreichen Vertretern der Kommunistischen Partei getroffen. Interessiert man sich in Havanna eigentlich auch für die Linkspartei?
Die Entwicklung der Linken in Deutschland wird natürlich wahrgenommen. Das hat mit der Solidaritätsarbeit von Cuba Si zu tun, die hohe Anerkennung genießt. Es wird auch registriert, wenn Linksfraktionen Initiativen anschieben, in denen es um die Politik der Bundesregierung oder der EU gegenüber Kuba geht. Es gibt aber in Kuba auch Stimmen, die kritisieren, dass die deutsche LINKE sich bisweilen nicht couragiert genug solidarisiert.
Es gibt in der Linken Kritik an Missständen in Kuba . Aber ist es nicht gerade auch in einem solidarischen Verhältnis nötig, den Freund auf Fehler hinzuweisen?
Niemand in Kuba hat ein Verbot für Kritik ausgesprochen. Aber es wird dann mehr Sachkunde erwartet. Die Politik dort erwächst immer stärker aus breiten Debatten, auch hat man das Reiserecht reformiert. Und wenn du drei Mal nachfragst, wird dir auch gesagt: Uns ist bewusst, wir werden 2020 vielleicht bis zu 50 Prozent der Geschäfte, Betriebe in Privateigentum haben. Aber wenn wir weiterkommen wollen, gibt es keinen anderen Weg.
Das erinnert ein bisschen an das Ende der DDR.
Also was denn nun? Erst wird von Kuba gefordert, dass es sich in Fragen von Demokratie und Wirtschaft bewegt. Und wenn sich dieses kleine Land dieser Herausforderung stellt, schrittweise wohlgemerkt, heißt es, die Bewegung sei nicht ausreichend. In Kuba haben meine Freunde mir gesagt: Geht nicht davon aus, dass wir alles auf einmal machen können, aber respektiert bitte, dass wir uns bewegen. Ich finde das nicht zu viel verlangt von der deutschen Linken. Wir sollten nicht vergessen: In Lateinamerika sind gesellschaftliche Prozesse in Bewegung, die auf eine linke Entwicklung gerichtet sind. Kuba ist darin eingebunden, leistet Solidarität und wird solidarisch begleitet.
Foto: Burkhard Lange
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