Ein Grenzzaun - ja oder nein? Und auf welcher Seite?
Leserfrage zum Nachbarschaftsrecht
Ich habe im Land Berlin vor 30 Jahren ein Grundstück geerbt. Zunächst gab es mit keinem der Nachbarn Auseinandersetzungen über die Pflicht zur Einfriedung und deren Gestaltung - jeder nahm den vorgefundenen Zustand hin, ohne nach der Rechtslage zu fragen. Das änderte sich vor etwa vier Jahren, als es bei einem Grundstück durch einen Erbfall einen Eigentümerwechsel gab.
Die neue Eigentümerin war zunächst dafür, dass wir es bei der »offenen Grenze« zwischen unseren beiden Grundstücken belassen - mit Berufung auf die angebliche Rechtslage verlangt sie jetzt von mir eine Einfriedung und will sogar darauf Einfluss nehmen, wie diese zu gestalten ist. Wie ist hier die Rechtslage?
Sieglinde H., Berlin
Der Umstand, dass in Deutschland der Staatsaufbau und daher auch die Rechtsordnung föderal gegliedert sind, wirkt sich auch im Nachbarrecht aus.
Für alle Länder verbindliche, grundsätzliche Regelungen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), §§ 903 ff. Daran anschließend haben die Bundesländer in der Regel Nachbarrechtsgesetze erlassen.
Für Berlin gilt das Berliner Nachbarrechtsgesetz (NachbGBln), im umgebenden Bundesland das Brandenburgische Nachbarrechtsgesetz (BbgNRG). Mecklenburg-Vorpommern kommt ohne ein spezielles Nachbarrechtsgesetz aus, aber natürlich ergeben sich auch dort beispielsweise aus umwelt- und baurechtlichen Regelungen Auswirkungen auf Nachbarschaftsbeziehungen.
Einfriedung auf rechter Seite
Für den angefragten Sachverhalt bestimmt § 21 NachbGBln die Einfriedungspflicht für nebeneinander liegende Grundstücke:
Bezugspunkt ist der Blick von der Straße auf die nebeneinander liegenden Grundstücke.
Es ist dann die Einfriedung auf der jeweils rechten Seite durch den Grundstückseigentümer vorzunehmen/zu veranlassen/zu unterhalten.
Die Einfriedung hat jeweils auf dem Grundstück des Verpflichteten auf seine Kosten zu erfolgen, nur im Falle einer entsprechenden Verpflichtung oder Einigung darf sie direkt auf der Grenzlinie entstehen. Ist die Grenze bebaut, so entfällt die Pflicht, aber auch dann, wenn sie für das fragliche Gebiet nicht ortsüblich ist. Es kann das durch Rückfrage bei den Baubehörden ermittelt werden.
Auch zu land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken sowie öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen bedarf es keiner Einfriedung.
Ist öffentlich-rechtlich, beispielsweise in Ortssatzungen, nichts anderes bestimmt, so kann nur die Errichtung einer ortsüblichen Einfriedung verlangt werden, im Zweifel eines ca. 125 Zentimeter hohen Maschendrahtzaunes. Dies gilt auch, wenn Nachbarn, die gemeinsam einzufrieden haben, sich nicht auf eine unter mehreren ortsüblichen Einfriedungen einigen können.
Die vorstehend aufgezählten Verpflichtungen bestehen auch dann, wenn der zum Verlangen nach einem Zaun berechtigte Nachbar zunächst keine Forderungen gestellt hat, später jedoch die Einfriedung verlangt - die Motive für diesen Sinneswandel sind rechtlich uninteressant.
Prof. Dr. JOACHIM GÖHRING, Rechtsanwalt, Berlin
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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