Wolfgang Neskovic aus der Linksfraktion ausgetreten

Parteiloser Abgeordneter sieht sich wegen Kritik an Rot-Rot »mit unredlichen Mitteln bekämpft«

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Der parteilose Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković ist am Donnerstag nach sieben Jahren aus der Linksfraktion ausgetreten. Den Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße, den er 2009 überraschend gewonnen hatte, will er 2013 als unabhängiger Kandidat verteidigen. »Es wäre ein einmaliges Zeichen politischer Emanzipation der Wählerinnen und Wähler von den Parteien, wenn ein von Parteipolitik Unabhängiger in den Deutschen Bundestag gewählt würde«, schrieb Nešković in einem Offenen Brief an die Bürger in Cottbus und Spree-Neiße.

Hätte er wieder für die LINKE antreten wollen, so hätte er am Sonnabend in Cottbus eine Kampfabstimmung gegen die Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert gewinnen müssen. Wöllert genießt die Unterstützung des Kreisvorstands Lausitz. Nešković hatte bis jetzt offen gelassen, ob, für wen und wo er kandidiert. Die Ankündigung, es als Unabhängiger zu versuchen, kommt plötzlich. Eher noch wäre zu vermuten gewesen, dass er es bei einem Landesverband der Linkspartei im Westen probiert. Solche Gerüchte hatte es gegeben. Dagegen sprach allerdings, dass sich der in Lübeck beheimatete frühere Bundesrichter bei seinem ersten Antreten für die LINKE im Jahr 2005 extra ausbedungen hatte, dass ein Platz im Osten für ihn gefunden werde.

Der Kreisvorstand Lausitz erklärte, die Entscheidung Neškovićs »ist für uns nicht überraschend«. Offensichtlich sei in dem Abgeordneten die Erkenntnis gereift, dass sich Birgit Wöllert am Sonnabend durchsetzen würde. »Es ist somit die Flucht vor der Niederlage.«
Aus der Sicht des Betroffenen stellt es sich anders dar: Selbst wenn ihn die Basis nominieren würde, so sei angesichts des bisherigen Verhaltens der Parteiführung im Kreisverband und im Land Brandenburg nicht erkennbar, »wie ein engagierter und erfolgreicher Wahlkampf bestritten werden sollte«.

Er habe sich »viel Ärger eingehandelt«, erläuterte Nešković, weil er »die Politik der rot-roten Landesregierung konsequent intern und öffentlich kritisiert habe«. Dafür sei er »mit unredlichen Mitteln bekämpft« worden. Er wolle seine »Kräfte nunmehr nicht länger auf solche Abwehrkämpfe sowie auf Parteidisziplin und Hierarchien verschwenden«. Nešković betonte: »Ich möchte endlich wieder frei atmen können.«

Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi bedauerte »außerordentlich«. Er hätte gehofft, sagte Gysi, dass sich die Widersprüche zwischen Nešković und den verantwortlichen Genossen in Brandenburg und in der Lausitz »auf andere Art und Weise lösen lassen«.
Auch der Landesvorsitzende Stefan Ludwig drückte sein Bedauern aus. »Seine Beiträge zu unserer Politik und auch seine Kritik waren uns immer willkommen«, beteuerte Ludwig. »Zuletzt hatte er sich durch die Art seines Agierens in der Partei isoliert. Ein Dialog mit ihm war nicht möglich. Leider stellt er sich nun auch nicht dem Votum der Mitgliederversammlung unserer Basis.«

Tatsächlich hatte der begnadete Redner Nešković die Genossen anfangs fast ausnahmslos begeistert. Er wurde wirklich gern gehört. Doch seine Rügen und besonders die Heftigkeit, mit der er sie vortrug, wurden dann doch unbequem, so dass viele dankbar quittierten, dass der Kreisvorsitzende Matthias Loehr, der zugleich Landeswahlkampfleiter ist, mit Birgit Wöllert eine andere Direktkandidatin präsentierte. Es klingt gleichwohl glaubhaft, wenn Ludwig nun bedauert, dass Nešković als Einzelbewerber antreten will. Bedanken könnte sich indessen die SPD, die nach den derzeitigen Umfragewerten auf Bundes- und Landesebene ohnehin schon die besseren Karten hat, diesen Wahlkreis zu gewinnen. Noch besser sieht es für die Sozialdemokraten aus, wenn sich Wöllert und Nešković gegenseitig die Stimmen wegnehmen. Denn Nešković bleibt in seinem Herzen links. Die politischen Inhalte der Partei »teile ich ganz überwiegend und werde mich auch weiter für sie einsetzen«, stellte er klar.

Die Politik der rot-rote Koalition rügt Nešković schon lange. Besonders heftig kritisiert er das Einknicken der brandenburgischen Linkspartei vor der SPD in der Frage neuer Braunkohletagebaue. Nešković sieht sich an Wahlversprechen gebunden, die von der Partei und auch von ihm gemacht worden sind. »Der Braunkohlebergbau hat keine emdlose Zukunft«, registriert er. Vergleichbare Kritik kommt jedoch auch von anderen, etwa von Dagmar Enkelmann, der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Sie wurde gleichwohl am vergangenen Sonnabend ohne Gegenkandidat und ohne Gegenstimme wieder in ihrem ostbrandenburgischen Wahlkreis nominiert. Der Ton macht die Musik, der Ton machte den Unterschied. In die inhaltlichen Auseinandersetzung spielen persönliche Befindlichkeiten mit hinein. Loehr war früher Mitarbeiter von Nešković. Sie haben sich einmal sehr geschätzt.


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