Spitzel verlangt Schadenersatz

Mark Kennedy wegen Liebesaffären vor Gericht

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Der britische Zivilbeamte Mark Kennedy spionierte jahrelang in der linken Szene Europas. Nun verklagen ihn Frauen aus mehreren Ländern wegen sexueller Ausbeutung.

Dass Polizeibehörden von Menschen aus oppositionellen Zusammenhängen wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung verklagt werden, kommt häufiger vor. Doch die Klage wegen sexueller Ausbeutung, die zehn Frauen aus verschiedenen europäischen Ländern gegen die britische Metropolitan Police und die halbprivate »Association of Chief Police Officers« angestrengt haben, dürfte eine Premiere sein. Die Polizeibehörden waren für den Einsatz des Zivilbeamten Mark Kennedy und eines Kollegen verantwortlich, der unter dem Namen Marco Jacobs bekannt ist. Beide hatten sich in mehreren Ländern Europas in linke Zusammenhänge eingeschleust. Dazu gehörte auch die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 und gegen den NATO-Gipfel in Straßburg 2009. Wie Kennedy zugab, ist er bei seinen Einsätzen sexuelle Beziehungen mit Frauen aus der radikalen Linken eingegangen.

Die stützen ihre Klage auf die Verletzung von Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Danach darf niemand einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Dieses Prinzip sehen die Klägerinnen verletzt, weil sie von stabilen, zukunftsfähigen Bindungen ausgegangen waren. Doch die zwischen sieben Monaten und sechs Jahren dauernden Beziehungen endeten mit dem plötzlichen Abtauchen der vermeintlichen Partner, als deren Einsatz abgebrochen wurde.

Noch ist unklar, ob die Verfahren öffentlich verhandelt werden. Die Anwälte der Polizei wollen die Fälle in einem Geheimverfahren abwickeln, das für Klagen gegen den britischen Inlandsgeheimdienst MI5 vorgesehen ist. Dann dürften weder die Klägerinnen noch deren Anwälte an den Verhandlungen teilnehmen oder Zeugen hören.

Die polizeilichen Führer der Spitzel seien jederzeit informiert gewesen, wo diese bei ihren Einsätzen übernachteten, bestätigte Kennedy jüngst gegenüber der Presse die Version der Klägerinnen, die von »institutionalisiertem Sexismus bei der Polizei« sprechen. Kennedy stilisiert sich mit seinem Gang an die Öffentlichkeit aber auch selbst zum Opfer und hat seine Vorgesetzten verklagt. Weil die ihn nicht an den sexuellen Affären und Beziehungen während seiner Spitzeltätigkeit gehindert hätten, sollen sie ihm den dadurch entstandenen posttraumatischen Stress mit rund 120 000 Euro vergüten.

Ein Berliner Aktivist der globalisierungskritischen Bewegung, der sich seit Jahren mit europaweiter Repression beschäftigt, bezeichnet Kennedy als »egozentrischen Selbstdarsteller«. »Jetzt nutzt er das Gerichtsverfahren der Frauen, um selbst Aufmerksamkeit zu erheischen.«

Das Ausmaß der Versuche zur Kriminalisierung oppositioneller Bewegungen wird erst langsam bekannt. »Es ist auffällig, dass Kennedy sich an Orten aufhielt, an denen es später zu größeren Razzien und Anklagen wegen abstruser Terrorismusvorwürfe kam. Alle Verfahren fielen bislang in sich zusammen«, sagt der Aktivist gegenüber »nd«. Zurzeit könnte ein Verfahren gegen eine anarchistische Landkommune im französischen Ort Tarnac eingestellt werden. Auch die hatte Kennedy mit militanten Aktionen in Verbindung gebracht.

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