V-Mann-Affäre soll untersucht werden

Thüringer Linksfraktion will Sonderausschuss beantragen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Unterwanderung der Linksfraktion durch einen Rechtsextremen hat wahrscheinlich ein parlamentarisches Nachspiel. Die LINKE will einen Untersuchungsausschuss beantragen - die Chancen dafür stehen gut.

Nach der Selbstenttarnung eines NPD-Funktionärs als V-Mann des Verfassungsschutzes fordert die Linksfraktion im Erfurter Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Einen entsprechenden Antrag will sie an diesem Freitag einbringen, erklärte Linksfraktionschef Bodo Ramelow am Donnerstag gegenüber »nd«. Der Ausschuss soll klären, ob die Bespitzelung, Herabwürdigung und Infiltration von Parteien, Fraktionen und Vereinen durch den rechtsextremen V-Mann mit Wissen bzw. Zustimmung des Geheimdienstes und der Landesregierung erfolgten. Außerdem will die Partei klären, wie die Landesregierung mit Informationen über Aktivitäten und Straftaten der extremen Rechten umging.

Der frühere Erfurter NPD-Kreisvorsitzende Kai-Uwe Trinkaus war nach Angaben des Verfassungsschutzes von Mai 2006 bis September 2007 als V-Mann geführt worden. In dieser Zeit hatte er auch den jungen Neonazi Andy F. als Praktikanten in das Büro des LINKE-Abgeordneten Frank Kuschel und in die Landtagsfraktion eingeschleust. Dieser Praktikant sei gleichzeitig und ebenfalls ohne Offenbarung seiner tatsächlichen Gesinnung Gastmitglied der Thüringer Jusos gewesen. Kuschel bestätigte auf nd-Anfrage, dass Andy F. damals Zugang zu Klausurtagungen und vertraulichen Informationen gehabt habe. Nach seiner Enttarnung habe Andy F. erfolglos versucht, ihn der sexuellen Nötigung und Beleidigung zu bezichtigen und den LINKE-Abgeordneten dadurch öffentlich in Verruf zu bringen, so Kuschel. Einige Thüringer Medien hätten diese Falschmeldungen damals ohne gründliche Prüfung verbreitet.

Nach Angaben von Trinkaus habe er dem Thüringer Verfassungsschutz gegen Honorarzahlungen Informationen geliefert und dessen Aufträge umgesetzt. Seine Kontaktpersonen hätten gewusst, dass er versucht habe, demokratische Parteien und Vereine zu unterwandern und Politiker zum Nutzen der NPD im Wahljahr 2009 öffentlich zu verleumden. Auch dem damaligen Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten, der Fach- und Dienstaufsicht des Thüringer Innenministeriums und dem damaligen Innenminister seien diese Sachverhalte bekannt gewesen.

Der Landtag muss einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn ein Fünftel der 88 Abgeordneten dies beantragen. Diese Mindestzahl erreicht die LINKE mit 26 Abgeordneten. Innenminister Jörg Geibert (CDU) signalisierte einem möglichen U-Ausschuss die Unterstützung der Landesregierung. Das Gremium werde »unverzüglich alle Akten und Auskünfte vollumfänglich erhalten«, erklärte er. Tags zuvor hatte der Minister im Landtag eingeräumt, dass der V-Mann aus heutiger Sicht nicht hätte angeworben werden dürfen.

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