Angst vor Korruption
Widerstand gegen Teilprivatisierung der Delhier Wasserversorgung
Jeden Morgen werden in den Wohngebieten der indischen Hauptstadt die Pumpen angeworfen. Mit lautem Knattern befördern sie Wasser aus den Leitungen der städtischen Wasserbetriebe in private Tanks auf den Hausdächern. Zwölf Stunden später wiederholt sich das. Der Grund: Nur morgens zwischen fünf und sieben Uhr sowie abends zwischen 17 und 19 Uhr werden Delhis Haushalte mit dem kostbaren Nass versorgt. Für den Rest des Tages muss das gesammelte Wasser aus den Tanks reichen.
Das gilt allerdings nur für die eine Hälfte der rund 16 Millionen Einwohner. Die andere lebt in Slums und illegalen Siedlungen, die nicht oder nur teilweise an das Leitungsnetz angeschlossen sind. Entsprechend lang sind dort die Schlangen an den wenigen öffentlichen Wasserstellen oder vor Tankwagen.
Dabei gäbe es genug Wasser für alle. Offiziell pumpt die Stadt täglich 3,6 Milliarden Liter in die maroden Leitungen. Das wären theoretisch 225 Liter für jeden Bewohner. Ein Deutscher verbraucht im Schnitt etwas mehr als 120 Liter am Tag. In Delhi erreicht aber nur ein Bruchteil des eingespeisten Wassers das andere Ende der Leitung. Der Rest wird unter »Verteilungsverlusten« verbucht: ausgelaufen, versickert oder gestohlen.
Vor diesem Hintergrund sind sich Beobachter einig, dass eine Modernisierung der Wasserversorgung dringend geboten wäre - auch mit Hilfe von Geldgebern aus der Wirtschaft. Bereits 2005 gab es auf Betreiben der Weltbank einen ersten Anlauf, um die Wasserversorgung in Delhi teilweise zu privatisieren. Nachdem Bürgerrechtler jedoch bei der Vergabe der Nutzungsrechte Korruption im großen Stil aufgedeckt hatten, war das Vorhaben abgeblasen worden - und das System blieb in miserablen Zustand.
Nun werben die Behörden erneut um private Investoren. Vor wenigen Wochen bekam der französische Konzern Veolia den Zuschlag für die Erneuerung und den Betrieb der Wasserversorgung im Bezirk Nangloi im Westen Delhis. Rund eine Million Menschen leben dort. Veolia Water India und seine Partner verpflichten sich, ein Wasserwerk sowie das Leitungssystem zu sanieren und auszubauen. Jeder Haushalt soll an die Wasserversorgung angeschlossen und dann 24 Stunden am Tag versorgt werden.
Der geplante Vertrag zwischen Veolia und der Wasserbehörde hat eine Laufzeit von 15 Jahren und soll in den nächsten Wochen unterzeichnet werden. Bereits Ende 2011 hatte Veolia die Ausschreibung für die Wasserversorgung in der zentralindischen Millionenstadt Nagpur gewonnen.
Doch während es in Nagpur kaum Proteste gegen die Privatisierung gab, formiert sich in Delhi Widerstand. Ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern und Gewerkschaftern wirft den Behörden vor, die Auftrag unrechtmäßig vergeben zu haben. Die Zeitung »Hindustan Times« nahm die Anschuldigungen auf und titelte »Korruptionsvorwürfe bei Wasserprojekt«.
Die Behörde wies dagegen alle Vorwürfe zurück. Denn hätte es Unregelmäßigkeiten gegeben, wären die unterlegenen Anbieter gerichtlich gegen die Entscheidung vorgegangen, so das Argument. Die Bürgerrechtler lassen haben indes weitere Proteste angekündigt. Was allerdings vonseiten der Kritiker fehlt, sind alternative Vorschläge für die dringend notwendige Modernisierung der Delhier Wasserversorgung - und damit auch die Abschaffung der knatternden Pumpen.
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