Arme zahlen mehr
Die Kosten der Energiewende bekommen vor allem Geringverdiener zu spüren
Die Kosten der Energiewende sind ungleich verteilt. Dies belegt die am Montag in Berlin vorgestellte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). »Die Verteilungswirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erzeugen eine soziale Schieflage«, heißt es dort. Demnach sind Geringverdiener von den Extrakosten für Ökostrom ähnlich stark betroffen wie wohlhabende Haushalte. Das liegt daran, dass sich »der Stromverbrauch mit steigendem Einkommen kaum verändert«, wie das IW feststellte. Wenn 2013 die EEG-Umlage von 3,6 auf 5,3 Cent je Kilowattsunde steigt, dann steigen auch die monatlichen Ausgaben der ärmsten zehn Prozent der deutschen Haushalte von rund 6 auf 8,75 Euro. Auch für die reichsten zehn Prozent wird es etwas teurer: Sie zahlen statt 7,20 dann 10,75 Euro. Wie die Studienautoren vom IW betonen, gäben die Armen 1,3 Prozent ihres Einkommens für den Ökostromzuschlag aus, während Besserverdiener nur rund 0,2 Prozent berappen müssen.
Eine Gerechtigkeitslücke tut sich auch beim Ausbau privater Photovoltaikanlagen auf. Laut IW-Studie gebe es bei den Geringverdienern »nur sehr wenige Solarhaushalte«. So erwirtschafteten Haushalte mit Solarzellen auf dem Dach 2011 einen Überschuss von rund einer Milliarde Euro. Die Hälfte des Geldes ging dabei an Deutschlands »einkommensstärkste Haushalte«, so das IW. Da ein Großteil dieser Summe aus staatlichen Beihilfen stamme, subventioniere man so vor allem die besserverdienenden Haushalte, kritisieren die IW-Autoren.
Die plötzliche Parteinahme für Geringverdiener überrascht. Wird das IW doch von Verbänden und Unternehmen der Privatwirtschaft finanziert - etwa vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Dementsprechend skeptisch reagierten Umweltverbände und Oppositionsparteien. Zumal EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Montag sekundierte und sich im »ARD-Morgenmagazin« erneut für eine »Generalüberholung« des EEG aussprach.
Kritik an der IW-Studie kam am Montag vom Präsidenten des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE), Dietmar Schütz: »Die Studie stellt den gezielten Versuch dar, die erneuerbaren Energien für soziale Not in Deutschland verantwortlich zu machen«. Auch Greenpeace-Energieexperte Tobias Austrup kritisierte, dass Geringverdiener so »in argumentative Geiselhaft für einseitige Klientelpolitik genommen« würden. Im Endeffekt gehe es der Industrie um »ungerechtfertigte Subventionen« und die Rückeroberung von Marktanteilen für die großen Energieerzeuger. Der deutschen Wirtschaft ist das EEG ein Dorn im Auge. Dabei gibt es für energieintensive Industrien längst Ausnahmeregelungen, die sie von der Zahlungspflicht entbinden. In jüngster Zeit wurden immer mehr Unternehmen von den Kosten für Netzentgelte und EEG-Umlage befreit. Selbst Konzerne wie McDonald's oder Aldi gelten nun als »energieintensiv«. Neben der steigenden EEG-Umlage sind die Industrierabatte bereits größter Preistreiber. Hinzu kommen zahlreiche Geschenke von Union und FDP. Etwa die Garantien für den Anschluss von Offshore-Windparks an das Stromnetz, die den großen Stromerzeugern nutzen.
Trotzdem bleibt die Frage, wie man die sozialen Folgen abmildern könnte. Für Tobias Austrup von Greenpeace sind Energiegenossenschaften die Lösung. So könnte »allen Bürgern eine Beteiligung am Großprojekt Energiewende« ermöglicht werden.
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