Zahnärztliche Zuschussrente

Selbstbedienungsmentalität mit ministerieller Unterstützung

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bundesgesundheitsministerium assistiert offensichtlich bei der Verschleierung von Übergangsgeldern für Zahnarzt-Funktionäre.

Die Vorstände der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) erhalten nicht nur ein Festgehalt von jährlich 250 000 Euro. Hinzu kommen variable Sondervergütungen bis zu 20 Prozent der Summe sowie je ein Dienstwagen. Sie versuchten außerdem, sich ein »Übergangsgeld« von 626 587,50 Euro pro Person zu genehmigen. Zur Kontrolle dieser Ausgaben ist das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verpflichtet. Offenbar half es aber, die selbst aus ministerieller Sicht zu hohen Bezüge zu verschleiern. Das ergab jetzt die Antwort des BMG auf eine Anfrage der LINKEN im Bundestag.

Das Übergangsgeld der drei Vorstände sollte den Wert von 30 Monatsgehältern haben. Der Vorstand, Jürgen Fedderwitz und seine beiden Stellvertreter, wurden allerdings Anfang 2011 wiedergewählt. Die große Frage ist also, welchen Übergang die Summe überbrücken soll. Regulär dauert jede Amtszeit sechs Jahre, die aktuelle also bis 2017. Die KZBV vertritt die Zahnärzte gegenüber Krankenkassen und in der Politik. Der Berufsstand ist zur Mitgliedschaft verpflichtet, kann seine Beiträge jedoch als Kosten abrechnen. Somit zahlen die Versicherten mittelbar auch die Vorstandsgehälter.

Das Gesundheitsministerium wollte dem Apanage-Wunsch nur in der Höhe nicht folgen. Mit der Zahlung an sich hat es keine Probleme, es warnte jedoch vor der öffentlichen Wirkung. So stimmte es offensichtlich einem KZBV-Vorschlag zu, nur den Betrag von zwölf Monatsgehältern direkt auszuzahlen und den Rest in eine Alterssicherung umzumünzen. Dabei war auch den Vorständen durchaus bewusst, was auf dem Spiel stand. In einem vertraulichen Brief des Vorsitzenden der KZBV-Vertreterversammlung Karl-Friedrich Rommel vom 23. Oktober wird der Vorgang geschildert.

Veröffentlicht wurde das Schreiben auf der Webseite des Berufsverbandes der Internisten. Darin heißt es über die Konsequenzen einer öffentlichen Debatte zum Thema: Sie wäre »voraussichtlich nicht nur mit unzumutbaren persönlichen Belastungen für die Vorstandsmitglieder, sondern eventuell auch mit einer Rufschädigung der KZBV und der Zahnärzteschaft insgesamt in der Öffentlichkeit verbunden«.

Die nicht-öffentliche KZBV-Vertreterversammlung, die Anfang November in Frankfurt am Main stattfand, fasste dann den Umwandlungsbeschluss. Rommel hatte in seinem Brief an die Vertreter betont, dass dadurch »keine Veränderung der Werthaltigkeit der Vorstandsdienstverträge insgesamt« erfolge. Nun ist es nicht so, dass die Vorstände für den Zeitraum ihrer Funktionärstätigkeit keine Altersvorsorge erhalten. 40 000 Euro werden hier jährlich bereits gezahlt. Außerdem sind zwei der drei Herren weiterhin an Zahnarztpraxen beteiligt.

Für Martina Bunge, gesundheitspolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion, ist besonders fragwürdig, in welchem Maße das Ministerium daran mitwirkte, die Übergangsgelder zu verschleiern. Die Höhe der Vergütungen könne offensichtlich der Selbstverwaltung nicht mehr überlassen werden, so Michael Reese, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abgeordneten, da diese sich immer an höchstmöglichen Beträgen orientiere. Die Gehälter könnten zum Beispiel gesetzlich festgeschrieben werden. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte kürzlich in einem Interview von Gehaltsexzessen bei den Verbänden gesprochen und Eingriffe seines Ministeriums angekündigt. Im konkreten Fall sieht das BMG jedoch keinen Anlass einzugreifen.

Ein ähnliches Problem mit der Zahlung von Übergangsgeldern ohne Übergang hatte es bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin gegeben. Hier forderte der aufsichtsführende Berliner Senat die Rückzahlung der Gelder, da die Vorstände wiedergewählt wurden. Dagegen hatte die KV geklagt, während der Verhandlung aber angesichts der Aussichtslosigkeit des Verfahrens die Klage zurückgezogen. Die KV Berlin erwägt nun, statt der Übergangsgelder die Gehälter zu erhöhen.

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