Teure Wende zum Besseren
Neues Kita-Gesetz belastet Kommunen
nd: In Sachsen-Anhalt haben wieder alle Kinder, auch die arbeitsloser Eltern, das Recht, ganztags in einer Kita betreut zu werden. Wie wichtig ist das?
Brüning: Der Schritt war längst überfällig. Zum einen hat sich längst herausgestellt, dass Kinder von Arbeitslosen, die nur Anspruch auf Halbtagsbetreuung haben, bezüglich ihrer Sozialisation und Bildung in den Einrichtungen zusätzlich benachteilig werden. Wir begrüßen daher die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung als Schritt zu mehr Gerechtigkeit. Außerdem wird ein großer bürokratischer Aufwand entfallen, weil nicht mehr geprüft werden muss, ob ein Kind ganztags in die Kita darf oder nicht.
Wie viele Kinder wurden bisher nur halbtags betreut?
Etwa 30 Prozent der Betreuungsplätze sind 2012 halbtags genutzt worden. Schwer zu sagen ist, wie viele Kinder davon aus Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften kommen. In Magdeburg wird seit Jahren die Hälfte aller Kinder in Familien von Langzeitarbeitslosen geboren. Wenn sie eine Kita oder den Hort besuchen, übernimmt die Stadt die Elternbeiträge. 2011 hat sie dafür 6,5 Millionen Euro bezahlt. Es gibt Einrichtungen, in denen bisher die Hälfte aller Kinder nur halbtags betreut werden durften. Nun können sie länger in die Kita kommen.
Wir groß ist der Bedarf an Kinderbetreuung in Magdeburg?
Wir sichern 10 000 Kindern die Betreuung in Kita und Krippe und 6000 im Hort. Jedes Kind, dessen Eltern das wünschen, erhält einen Kitaplatz. Die Stadt hat zudem beschlossen, weitere 1460 Plätze zu schaffen. Zuletzt wuchs der Bedarf jährlich um drei Prozent. Im Jahr vor der Einschulung besuchen 95 Prozent der Kinder eine Kita.
Die Erzieherinnen werden Kinder länger in Ihrer Obhut haben; zudem wurde mit dem Gesetz der Personalschlüssel verändert. Was heißt das für den Personalbedarf?
Das ist schwer zu sagen. Zum einen gibt es einen Widerspruch im Gesetz: Es sichert für jedes Kind bis zu zehn Stunden täglicher Betreuung zu; die Erzieherinnen arbeiten aber nur acht Stunden. Wie schließt man die Lücke? Zum anderen steigt der Personalbedarf, wenn Kinder länger in der Kita bleiben. Darauf muss man reagieren. Die Stadt Magdeburg hat keine eigenen Kitas mehr; seit 2005 werden diese allesamt von freien Trägern betrieben. Diese sind veranlasst, entsprechendes Personal vorzuhalten. Mit einem Schub wird man den höheren Bedarf sicher nicht decken können. Da muss etwas für die Qualifizierung getan werden.
Gibt es genügend Bewerber?
Es gibt noch keinen gravierenden Mangel, aber die Lage ist angespannt. Wenn bei unseren Trägern zuletzt neue Plätze geschaffen wurden, war Personal immer ein Thema.
Die Kinderbetreuung wird künftig, darüber besteht Einigkeit, teurer werden. Das Land gibt 53 Millionen Euro zusätzlich. Reicht das, und falls nicht: Werden die Eltern mehr zahlen müssen?
Wir wollen nicht, dass Elternbeiträge steigen. Dazu bekennt sich die Stadt. Allerdings sind wir auch angehalten, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Unser Sozialetat stieg allein 2012 um 13 Millionen Euro. Für 2013 planen wir für die Kinderbetreuung über 63 Millionen Euro ein; 2008 waren es noch 53 Millionen. Die Stadt hat inklusive der Übernahme von Elternbeiträgen und Ermäßigungen bisher 64 Prozent der Betreuungskosten geschultert, den Rest teilten sich Land und Eltern. Ich befürchte aber, dass das neue Gesetz eine Kostenexplosion bewirkt: Mehr Kinder werden länger in die Kita kommen; Erzieherinnen erhalten mehr Zeit für Qualifizierung; freie Träger werden von ihrem Anteil befreit. Das wird teurer. Das Land sieht das offensichtlich anders. Wir werden die Kosten präzise aufschlüsseln und analysieren, wie stark wir zusätzlich belastet werden. Über Aussagen des Landes jedenfalls, die Verwendung der Gelder sei teilweise nicht nachzuvollziehen, war ich sehr verbittert. Wir leisten mehr als den Anteil, zu dem uns das Land verpflichtet, und das ist nachweisbar.
Wie reibungslos wird die Umsetzung des Gesetzes verlaufen?
Es verpflichtet uns, mit jedem Träger Leistungsverträge abzuschließen. Das ist viel Arbeit, weil es in der Stadt über 30 Träger gibt, die bald 90 Einrichtungen betreiben. Uns fehlen dafür Personal im Jugendamt und die Zeit. Es wird eine Übergangszeit bis August 2013 eingeräumt. Dieser Anspruch ist - vorsichtig formuliert - äußerst ambitioniert.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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