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Die Gebühr ist tot, es lebe die Zwangsabgabe!

Umstrittene Reform soll Einnahmen auf solide Basis stellen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 5 Min.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hoffen auf hohe Mehreinnahmen durch die Systemumstellung. Gegner wehren sich mit Verfassungsklagen.

Es dürfte eine der umfangreichsten Informationskampagnen gewesen sein, die jemals von einer öffentlich-rechtlichen Institution durchgeführt wurde. Alle ermittelbaren Haushalte wurden von der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in den vergangenen Wochen über die Umstellung der Berechnung der Rundfunkgebühren auf dem Postweg informiert. Dazu gab es Radio- und Fernsehspots, die mit dem Slogan »Einfach. Für Alle - die neue Rundfunkgebühr« die Akzeptanz für die Systemumstellung bei der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten befördern sollten.

Der monatliche Beitrag von 17,98 Euro muss künftig von jedem Haushalt entrichtet werden und zwar unabhängig von der Anzahl der Bewohner und der Empfangsgeräte. Somit entfallen auch die unterschiedlichen Tarife für Art und Umfang der Nutzung. Für diejenigen, die zwar über ein Radio oder einen Computer, jedoch kein TV-Gerät verfügen und bislang nur 5,76 Euro bezahlen, gilt künftig der volle Satz. Laut GEZ-Geschäftsbericht wird dies unter dem Strich zu erheblichen Mehreinnahmen führen. Denn Ende 2011 waren zwar 38,65 Millionen Radios angemeldet, aber lediglich 32,75 Millionen Fernseher. Auch das von den öffentlich-rechtlichen Sendern stets lauthals beklagte Problem der »Schwarzseher« soll durch die Reform dauerhaft gelöst werden.

Die nunmehr unter dem Namen »Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio« agierende GEZ kann künftig auf alle Daten der Melderegister zurückgreifen und erhält automatische Benachrichtigungen bei Umzügen. Die aufwendige Ermittlung säumiger Beitragszahler entfällt dadurch. Die Sender rechnen mit rund 840 000 neuen Gebührenzahlern und Mehreinnahmen von bis zu 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: 2011 erlöste die GEZ 7,533 Milliarden Euro.

Änderungen gibt es auch bei der Gebührenbefreiung. Diese kann wie bisher von Empfängern von Grundsicherungsleistungen wie ALG II, Sozial- oder Pflegegeld, BAföG-Empfängern sowie Schwerstbehinderten in Anspruch genommen werden. Für Empörung sorgt allerdings die Regelung, dass einige bislang ebenfalls befreite Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Blinde und Taube, künftig einen ermäßigten Betrag von 5,99 Euro zahlen müssen. Neu berechnet werden ferner die anfallenden Gebühren für Unternehmen, Freiberufler, öffentliche Institutionen und beruflich oder gewerblich genutzte Fahrzeuge. Die Berechnung erfolgt künftig nicht mehr anhand der genutzten Geräte, sondern basiert auf der Anzahl der Betriebsstätten und der Mitarbeiter.

Zu dem erhofften zusätzlichen Geldsegen für die öffentlich-rechtlichen Sender sollen auch die neuen Regelungen für Wochenendhäuser und Lauben gehören. Sofern diese über einen Strom- und Wasseranschluss verfügen und eine Wohnfläche von mehr als 24 Quadratmetern aufweisen, ist künftig die volle Rundfunkgebühr fällig. Gegen diese Bestimmung gibt es heftigen Widerstand. In mehreren Bundesländern wurden entsprechende Petitionen bei den Landtagen eingereicht, in denen die Politik aufgefordert wird, diese Regelung zu ändern, da sie für viele Datschenbesitzer und -nutzer eine unzumutbare finanzielle Härte bedeutet. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) hat mittlerweile zwei Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Erste bezieht sich auf die umfassende Erfassung und Übermittlung aller Haushaltsdaten an die Gebührenbehörde, was nach Auffassung des Verbandes eine grobe Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Durch die umfassende Datenerhebung entstehe eine zentrales Melderegister, »für das es in Deutschland keine gesetzliche Grundlage, aber erhebliche Missbrauchspotenziale gibt«, so der VDGN in seiner Stellungnahme. Die Meldeämter übermitteln nicht nur Namen und Geburtstag, sondern auch Haupt- und Nebenwohnung, Tag des Ein- oder Auszugs sowie den Familienstand eines jeden GEZ-Zahlers.

Eine weitere, am 7.Dezember eingereichte Beschwerde bezieht sich direkt auf die Doppelbelastung durch den Beitrag für Datschen unabhängig von Art und Umfang der Nutzung von Empfangsgeräten. Der VDGN sieht den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, da beispielsweise ein Single, der neben seiner Hauptwohnung ein Wochenendhaus besitzt, einen Jahresbeitrag von 431,52 Euro zahlen muss, während für eine mehrköpfige Wohngemeinschaft nur 215,76 Euro fällig werden.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof wird sich ebenfalls mit der neuen Rundfunkgebühr beschäftigten. Ein Passauer Jurist will die Haushaltsabgabe kippen, da auch Nicht-Nutzer herangezogen werden. Damit handelt es sich nach seiner Meinung nicht um eine Gebühr, sondern um eine Steuer, für die die Länder keine Regelungskompetenz hätten. Auch in Sachsen werden Klagen vorbereitet, die dort allerdings erst nach Erhebung der neuen Gebühr möglich sind. Mittlerweile schließen die Verantwortlichen in der ARD nicht mehr aus, dass die Reform noch einige »Nachbesserungen« erfahren könnte.

  • Künftig zahlt jeder deutsche Haushalt unabhängig von seiner Zusammensetzung oder der Anzahl der Geräte eine pauschale monatliche Gebühr von 17,98 Euro. Der neue Rundfunkbeitrag entspricht genau der jetzigen Standardgebühr für den Betrieb eines Fernsehers, eines Radios sowie eines »neuartigen Rundfunkgeräts«, etwa eines Computers.
  • Das neue System führt einerseits dazu, dass künftig jeder Haushalt zur Kasse gebeten wird - auch wenn er bisher angab, weder Radio noch Fernseher noch einen Computer zu nutzen. Auf der anderen Seite fallen Doppelbelastungen weg: Es reicht dann, wenn eine im Haushalt gemeldete Person die fällige Gebühr begleicht. Davon profitieren beispielsweise nicht verheiratete Paare, die zusammen wohnen. Positiv wirkt sich dies zudem auf Wohngemeinschaften sowie auf Erwachsene aus, die arbeiten, aber noch bei den Eltern leben.
  • Für jede Zweit- oder Ferienwohnung wird künftig ein zweiter pauschaler Haushalts-Rundfunkbeitrag fällig, selbst wenn dort kein Fernseher oder Radio steht. Rundfunkgeräte im kleinen Gartenhäuschen sind dagegen für die meisten Kleingärtner frei, denn in ihnen darf normalerweise ohnehin nicht gewohnt werden. Falls Lauben in Kleingärten als Wohnung dienen, muss gezahlt werden. Dies trifft vor allem ostdeutsche Kleingärtner.

nd/AFP

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