Botschafter mit Ball

Nordkoreas Fußballstar Chong Tese wird in Südkorea gefeiert

  • Thomas Nowag, SID
  • Lesedauer: 3 Min.
Politisch gibt es zarte Annäherungen zwischen Nord- und Südkorea. Chong Tese ist Fußballprofi, er ist Nordkoreaner. Zuletzt beim 1. FC Köln aktiv, spielt er jetzt in Südkorea und will Botschafter auf dem Spielfeld sein.
Der Botschafter der Versöhnung wurde empfangen wie ein Popstar. Journalisten rempelten sich in Incheon die Ellbogen in den Leib, als Chong Tese aus dem Flugzeug stieg, ein Kameramann kletterte auf eine Leiter, um das beste Bild zu erhaschen. Ein nordkoreanischer Fußballer in Südkorea - der Wechsel des Angreifers vom 1. FC Köln zu den Suwon Bluewings ist angesichts einer zarten politischen Annäherung der verfeindeten Bruderstaaten ein Ereignis ersten Ranges.

Der 28-jährige Chong, weltbekannt, seit er bei der WM 2010 während der Nationalhymne Nordkoreas weinte, erfüllte alle Erwartungen. »Ich möchte ein Botschafter auf dem Spielfeld sein«, sagte er, »es wäre mir eine Ehre, ein Vermittler zwischen dem Süden und dem Norden zu werden.« In der K-League zu spielen, versicherte er pflichtbewusst, bedeute ihm »genauso viel, wie für Nordkorea aufzulaufen«. Die Liga gab flugs bekannt, Tese sei der vierte Nordkoreaner im Profifußball des Südens.

Einst besaß Chong Tese, oder Jong Tae-Se, wie er sich 2010 noch nennen ließ, sogar einen südkoreanischen Pass. Er wuchs als Sohn einer südkoreanischen Mutter und eines nordkoreanischen Vaters im japanischen Nagoya auf - daher die japanische Version seines Namens. Mit Unterstützung der pro-nordkoreanischen Chongryon-Schule, die er besuchte, vollzog er 2006 den im Süden eigentlich verbotenen Nationalitätenwechsel. 2007 spielte er erstmals für Nordkorea, bei der Ostasienmeisterschaft 2008 erzielte er jeweils die Tore bei den 1:1-Unentschieden gegen Südkorea und Japan. In beiden Ländern hätte er ebenfalls Nationalspieler werden können.

Doch er entschied sich für den international geächteten Norden Koreas. »Klar möchte ich Botschafter sein. Aber Sport und Politik sind zwei unterschiedliche Dinge«, sagte er einmal, »ich weiß, dass Nordkoreas Image sehr schlecht ist. Vielleicht kann ich es durch Sport verbessern.«

In Japan bei Kawasaki Frontale gelang ihm das glänzend, sie nannten ihn den »Wayne Rooney Asiens«. Beim VfL Bochum zeigte er einige gute Ansätze, dann kam nicht mehr viel, und in Köln klappte so gut wie gar nichts.

Doch als Botschafter ist Chong Tese der richtige Mann. Er kann Japanisch, Koreanisch, Portugiesisch und Englisch. In Bochum ließ er nach wenigen Wochen seinen Dolmetscher stehen und antwortete in zwar gebrochenem, aber verständlichem Deutsch. Er hörte Musik der Fantastischen Vier und von Bushido. Wegen Chong dachte Nordkoreas Staatsfernsehen sogar darüber nach, Bundesligaspiele live zu übertragen.

Chong Tese war schon immer mehr als ein Fußballer. Er wurde beäugt, als käme er von einem anderen Stern. Das wird in Südkorea sicher nicht anders sein. »Ich will den Titel holen, weil ich noch nie einen gewonnen habe«, sagte Tese am Dienstag. Abseits des Platzes wird jedoch noch viel mehr von ihm erwartet.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.