Schlittert Deutschland in einen neuen Krieg?

Modell Tschad nun in Mali: Regierung lässt Frankreich »in dieser schwierigen Situation« nicht allein

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Bundesregierung hat überraschend schnell militärische Hilfe für den Kampfeinsatz französischer Truppen in Mali zugesagt. Mit der »Operation Serval« hatte Paris jüngst nicht nur für eine »Präzisierung« von EU-Plänen sowie eine Beschleunigung des Militäreinsatzes gesorgt, sondern auch den deutschen Verbündeten keine Wahl gelassen.

»Frankreich hat gehandelt, das war konsequent und richtig und verdient Unterstützung.« Thomas de Maizière (CDU) lobte gestern früh die militärische Intervention des Partnerlandes in Mali. Doch das Lob des deutschen Verteidigungsministers klang am Morgen im »Deutschlandfunk« noch verhalten, als er sagte, dass Frankreich als einziges Land in der Lage gewesen sei, den Vormarsch der Islamisten zu stoppen.

Abgesehen davon, dass es für diesen Optimismus keine verlässliche Meldungsbasis gibt - im folgenden Satz schwang viel Misstrauen mit. Mali sei, so de Maizère, »ein altes französisches Interessengebiet«. Offiziell betont die EU, die islamistischen Kämpfer aus dem Norden könnten Mali zu einem Gottesstaat und damit zu einem Stützpunkt neuen Terrors machen, von dem aus Europa bedroht werde.

Geht es Frankreich nur um die Abwehr dieser Gefahr oder hat Paris spezifische Interessen? De Maizière - angeblich »darüber bestens informiert« - umgeht vielsagend eine Antwort: »Ich möchte gerne, dass Frankreich selbst öffentlich darüber Auskunft gibt, wie das Ziel dieses Einsatzes ist.«

Paris hat derzeit wohl etwas über 3000 Soldaten in der Region. Mirage-Jets fliegen Kampfeinsätze gegen Rebellen. Doch vieles spricht dafür, dass die »Operation Serval« und damit der Beginn eines neuen EU-Feldzuges nicht mit den Mitgliedsstaaten abgestimmt wurde. So war es bereits 2008, als EU-Soldaten französisch determiniert in den Tschad einmarschierten. Und auch beim Krieg gegen Libyen zog Frankreich auf eigene Faust gegen Gaddafi los, kalkulierend, dass die Verbündeten solidarisch folgen würden - politisch ohnehin, doch auch militärisch und logistisch, denn Frankreich ist nicht potent genug, einen solchen lang anhaltenden Einsatz alleine zu stemmen. Damals widerstand Deutschland einer direkten Mitwirkung und bekam im Falle Libyen-Kriegsverweigerung viel Schelte von den Verbündeten.

Über die »Operation Serval« weiß man bislang nur das, was Frankreich mitteilt. Nicht nur auf Pressekonferenzen haben ausschließlich französische Offiziere das Sagen. Auch über Facebook und via Youtube wird Meinung gemacht. Natürlich sieht man da weder Zerstörungen noch Opfer der französischen Attacken.

Da das deutsch-französische, konservativ-sozialistische Regierungsverhältnis zudem derzeit nicht besonders freundschaftlich ist, scheint auch de Maizère nicht gut informiert. So blieb er zunächst sogar vage, was eine mögliche logistische Unterstützung der französischen Verbündeten betrifft: »Frankreich hat entsprechende Kräfte vor Ort, wir nicht. Es wäre also etwas aufwendig.« Gleichwohl, so schränkte er ein, würde man Anfragen auf logistische Unterstützung prüfen. Dieses Prüfen schien für den CDU-Minister jedoch von aufwendiger Art zu sein, denn komplizierte politische wie auch rechtliche und technische Fragen seien zu klären, sagte er.

Mit dieser Hinhaltetaktik gedachte man zunächst auch den Chef der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zu empfangen. Der ivorische Präsident Assalane Outtara, der am Mittwoch in Berlin erwartet wird, hatte jüngst Transall-Transportmaschinen der Bundeswehr gewünscht, um Einheiten afrikanischer Länder nach Mali zu fliegen.

Lufttransport ist nicht gerade die starke Seite der Bundeswehr, die ob des Ausbleibens des neuen A400M-Militärtransporters haushalten muss mit den verbliebenen Transall. Doch der Herr über die Flugzeuge, Thomas de Maizière, bemühte die Anforderungen der deutschen Militäreinsätze in Afghanistan und Kosovo sowie den Grundbedarf in Deutschland, um Bedenken gegen eine deutsche Lufttransportrolle anzumelden. Er zweifelte sogar, »ob unsere Verfassung das überhaupt zulässt«, und verwies auf ein vermutlich notwendiges Mandat durch den Bundestag. Deutlich zu merken war die Absicht, es bei der geplanten und zugesagten reinen Ausbildungsmission zu belassen.

Doch dann ging gestern doch alles sehr schnell. Die Regierung teilte mit, de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) würden möglichst rasch Kontakt zu den französischen Partnern aufnehmen und dem dortigen Militär deutsche Fähigkeiten anbieten. Man lasse den Partner »in dieser schwierigen Situation« nicht allein, sagte ein Sprecher.

Gedacht ist wohl an den Einsatz von Sanitätern und Transportfliegern. So hofft man, um die Entsendung deutscher Kampftruppen herum zu kommen. Warnungen, Deutschland könnte dennoch irgendwie in einen neuen Krieg hineinschlittern, »kann ich schon bald nicht mehr hören«, motzte der Verteidigungsminister.

Spätestens dann, wenn Deutschlands Sicherheit irgendwo vor dem malischen Bamako verteidigt werden soll, werden ihm die Ohren klingen.

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