Haft nach Anti-Naziprotesten
Hendrik Lasch über die ganz große Keule
Ein »populäres Urteil« nennt der Verteidiger den Richterspruch, der am Amtsgericht Dresden gegen einen Teilnehmer der Anti-Naziproteste vom 19. Februar 2011 gefällt wurde. Das ist höflich formuliert: »Populistisch« träfe den Tenor besser. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hatte nicht zuletzt wegen des unnachgiebigen Umgangs der sächsischen Justizbehörden mit Protestierern und Blockierern das Wort von der »sächsischen Demokratie« geprägt. Gestern wurde dessen Berechtigung einmal mehr bestätigt. Erneut wurde die ganz große Keule herausgeholt. Zugestanden: Dem Angeklagten wurde nicht vorgeworfen, sich nur friedlich auf eine Straße gesetzt zu haben. Er soll zu Angriffen auf Polizeisperren animiert haben, bei denen Steine flogen und mit Latten geprügelt wurde. Man kann mit Recht argumentieren, dass derlei gewaltsame Aktionen, die, gepaart mit dem desaströsen Konzept der Polizei, an jenem Tag für teils chaotische Szenen in Dresden sorgten, dem Anliegen der friedlichen Proteste nicht zuträglich waren und ihnen nicht mehr Rückhalt in der Dresdner Bevölkerung verschafften. Dass aber ein 36-jähriger Familienvater für Durchsagen per Megafon für ein Jahr und zehn Monate ins Gefängnis geschickt und die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sprengt jeden Rahmen. In Berlin sind, etwa bei Ausschreitungen rund um den 1. Mai, niedrigere Strafen üblich. Hoffnung kann jetzt nur in die nächste Instanz gesetzt werden. Die hat mehrfach überharte, auf Abschreckung ausgerichtete Urteile korrigiert – auch in Dresden.
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