Tückische Schneebälle
Der Crash zweier Volkssolidarität-Fonds schädigte 1600 Menschen - jetzt steht ein Zivilprozess bevor
Rostock (dpa/nd). Die Verbraucherschutzzentrale MV hat sich vor Beginn des Zivilverfahrens gegen die Wohlfahrtsorganisation Volkssolidarität zuversichtlich gezeigt, dass die geschädigten Kleinanleger entschädigt werden können. Vor dem Landgericht Rostock klagen vom 31. Januar an vier der insgesamt rund 1600 Geschädigten nach Gerichtsangaben gegen zwei Kreisverbände, den Landes- und den Bundesverband der Volkssolidarität.
»Wir wären froh, wenn das Verfahren bis Sommer zur Entscheidung kommt«, sagte Jürgen Fischer, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, der dpa. In zwei Immobilienfonds der Kreisverbände Mecklenburg Mitte und Bad Doberan/Rostock-Land sollen zwischen 2001 bis 2009 durch ein Schneeballsystem 9,5 Millionen Euro versickert sein. Mit deren Insolvenz verloren viele meist ältere Menschen ihre Anlage. »Es ist schade, dass für einen Großteil der Geschädigten die Ansprüche verjährt sind«, sagte Fischer. Die Verjährung sei Ende 2012 eingetreten. Es gebe Geschädigte, die ihre gesamten finanziellen Reserven verloren haben, davon seien auch vielfach deren Kinder und Enkel betroffen. Von den etwa 1600 Geschädigten habe sich nur die Hälfte an die Verbraucherschutzzentrale gewandt.
Als Schneeballsystem oder Pyramidensystem werden Geschäftsmodelle bezeichnet, die zum Funktionieren eine ständig wachsende Anzahl an Teilnehmern benötigen. Gewinne für Teilnehmer entstehen beinahe ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer in den Systemen mitwirken und Geld einzahlen. Es handelt sich somit um Spezialfälle von Systemen, welche auf unendliches Wachstum unter endlichen Rahmenbedingungen angewiesen sind. Sie sind grundsätzlich instabil und in vielen Ländern mittlerweile - zumindest teilweise - verboten. Schneeballsysteme sind keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts. Schon in früheren Quellen wird über Klagen aus gewerblichen Kreisen gegen »Schneeballensammlungen« berichtet. (nd)
Fischer geht davon aus, dass es inzwischen insgesamt weniger als 100 Menschen seien, die noch Chancen auf Entschädigung haben. Bei den vier Klagen handele es sich um Musterklagen, die Schadenssummen lägen zwischen 15 000 und 70 000 Euro. Es sei auch nicht auszuschließen, dass es wegen der nur noch geringen Zahl an Geschädigten mit nicht verjährten Ansprüchen zu einem raschen Vergleich komme.
Keine neue Entwicklung gibt es unterdessen bei der strafrechtlichen Aufarbeitung. Das Landgericht hatte im September 2012 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen 74-jährigen ehemaligen Volkssolidaritäts-Manager abgelehnt, weil dieser wegen Demenz nicht verhandlungsfähig sei. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde vom Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen. Nach Worten eines Sprechers des Landgerichts liegen die Termine für die Verhandlungen zum Fall eines zweiten Managers noch nicht vor.
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