»Drogenverbote erreichen ihr Ziel nicht«

Der Ex-Kriminalbeamte Frank Tempel (LINKE) über seinen Vorstoß zur Legalisierung des Cannabis-Konsums

  • Lesedauer: 3 Min.
Frank Tempel ist drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Der ehemalige Kriminalbeamte engagiert sich für neue Ansätze in der Suchtprävention und die Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten. Am Donnerstag beschäftigte sich der Bundestag mit seinem Antrag zur Einrichtung sogenannter Cannabis-Social-Clubs, in denen der Eigenanbau von Cannabispflanzen erlaubt wäre. nd-Redakteur Fabian Lambeck sprach mit Tempel über Legalisierung und das Scheitern der bisherigen Drogenverbotspolitik.

nd: Herr Tempel, wenn ein ehemaliger Kriminalbeamter die Einführung von Cannabis-Clubs fordert, hat er dann die Seiten gewechselt?
Tempel: Das heißt zumindest, dass er den Weg, der in erster Linie auf Strafverfolgung setzt, verlassen hat. Als Beamter musste ich oft aufwendige Verfahren gegen Drogenkonsumenten führen, die meistens mit der Einstellung endeten. Aufwand und Nutzen passen nicht zusammen. Die bisherige strikte Drogenverbotspolitik hat ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht. Es gibt weder eine Verringerung der Nachfrage noch des Angebots von Drogen in der Gesellschaft. Dafür aber jährlich etwa 100 000 Strafverfahren gegen Konsumenten von Cannabis und Marihuana.

Woran liegt das?
Die Schwarzmarktstrukturen sind so fein vernetzt, dass die Polizei nur örtlich begrenzte Erfolge erzielen und nie wirklich das Netz an sich angreifen kann. Selbst wenn man eine größere Menge Cannabis sicherstellt, verringert sich das Angebot in der Region höchstens für ein Wochenende. Danach ist alles wie vorher. Deshalb habe ich schon während meiner aktiven Dienstzeit ernsthafte Zweifel gehabt, dass der Staat hier den richtigen Weg geht.

Werden diese Zweifel von Ihren ehemaligen Kollegen bei der Polizei geteilt?
Es gibt natürlich Polizisten, die meinen Vorschlag ablehnen. Aber selbst die Gewerkschaft der Polizei fordert neue Wege in der Drogenpolitik, weil die Kollegen mitkriegen, dass Aufwand und Nutzen nicht übereinstimmen. Oder etwa der Polizeipräsident von Münster, der dem Schwarzmarkt einen legalen Markt entgegensetzen will, um ihn auszutrocknen.

Das klingt ja ganz nach Ihrem Ansatz.
Ja, wir müssen dem organisierten Verbrechen die Kunden nehmen. Also Kriminalitätsbekämpfung durch eine streng regulierte Legalisierung. Wir sprechen hier von einem riesigen Markt mit bis zu vier Millionen Kunden, die regelmäßig oder gelegentlich zum Joint greifen.

Nun gilt Cannabis als Einstiegsdroge. Wer im Cannabis-Club kifft, endet irgendwann bei Heroin oder Kokain ...
Einstiegsdroge würde heißen, wenn ich diese Substanz nehme, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich später auch andere Substanzen nehme. Studien zeigen, dass nur zwei bis sechs Prozent der Cannabis-Konsumenten bei härteren Drogen landen. Das ist keine hohe Wahrscheinlichkeit. Und wenn man schon so argumentiert, dann ist nicht Cannabis die Einstiegsdroge, sondern Tabak oder Alkohol. Die vom Staat gezogene Grenze zwischen legal und illegal sagt nichts über die Gefährlichkeit einer Droge aus. Allein 2010 starben 74 000 Bundesbürger an den direkten Folgen ihres Alkoholkonsums.

Die CDU meint, Cannabis-Clubs könnten von Jugendlichen als Aufmunterung zum Drogenkonsum verstanden werden. Die SPD sieht das ähnlich.
Dem widerspricht aber die Statistik. So hat die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht gerade ihre neuen Zahlen veröffentlicht. Demnach liegt der Anteil von Cannabis-Konsumenten in den Niederlanden deutlich unter dem europäischen Durchschnitt, auch dem deutschen. Und das, obwohl in Holland jeder Erwachsene problemlos in den nächsten Coffee-Shop spazieren kann, um sich ganz legal einen Joint oder etwas Haschisch zu kaufen.

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