Wenn die Schaukel zur Falle wird
Bundesweit gibt es jährlich 16 000 Spielplatz-Unfälle - eine Ingelheimer Firma will mehr Sicherheit
Ingelheim. Der vierjährige Timo erklimmt einen Mastkorb. Der ist morsch, stürzt um und begräbt das Kind unter sich. Es stirbt im Krankenhaus. Unfälle wie dieser 2002 im hessischen Obertshausen sind der Albtraum jedes Bürgermeisters. Regelmäßige Kontrollen sollen sie verhindern. Eine der Firmen, die bundesweit Schaukeln und Klettergerüste unter die Lupe nehmen, ist die kleine Spielplatzmobil GmbH in Ingelheim nahe Mainz.
»Rund 11 000 Spielplätze von Mittenwald bis Flensburg haben wir 2012 geprüft«, sagt Geschäftsführer Mario Ladu. »Ich denke, wir haben TÜV und Dekra schon lange überholt.« Insgesamt zähle seine besondere Branche rund 80 Firmen in Deutschland.
Ladu steckt auf einem Ingelheimer Spielplatz einen roten Prüfkörper aus Holz durch die Maschen eines Klettergerüstes. Passt. »Wäre es zu eng, könnten sich Kinder strangulieren«, erklärt der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Spielplatzgeräte. Ein Job, den es nach seinen Angaben bundesweit nur fünfmal gibt. In Deutschland toben Kinder auf rund 800 000 Spielplätzen. Fälle wie in Obertshausen sind laut dem kommunalen Haftpflichtversicherer GVV äußerst selten. Der Unfall dort habe die Spielplatz-Szene sensibilisiert, sagt der Wiesbadener GVV-Filialleiter Ralf Mandernach. »Die Gerätehersteller haben reagiert.«
Aber auch Verletzungen können schlimm genug sein. Spielplatzmobil-Chef Ladu weiß: »Jedes Jahr werden bundesweit rund 16 000 Spielplatz-Unfälle gemeldet.« Ein kleinerer Schmerz bei einem Fehltritt könne eine wichtige Lernhilfe für ein Kind sein. »Damit entwickelt es früh sein Selbstschutzverhalten«, sagt Ladu. »Etwas anderes sind die verdeckten Schäden. Das sind Fallen«, erklärt der gelernte Maschinenbauschlosser und gräbt an einem Pfeiler des Klettergerüstes. Alles in Ordnung. »Oft sehen Holzpfähle wegen ihrer Imprägnierung tipptopp aus, sind aber innen morsch.«
Auch »Hals- und Fingerfangstellen« bei Geländern, lose Seile mit Strangulationsgefahr, zu weit vorgeschobene Brüstungen, zu steile Rutschen, zu lange Fallhöhen, Sturzgefahr auf hervorragende Balken, rostige Schaukelketten und zu geringe Geräteabstände registriert Ladu immer wieder. Auf seine Prüfberichte können die Betreiber von Spielplätzen reagieren und Gefahren entschärfen.
»Kinder spielen oft anders, als die Gerätehersteller sich das vorstellen. Sie klettern zum Beispiel höher als erwartet oder schaukeln gegeneinander«, erläutert Ladu. »Das Gesetz sagt aber, dass die Hersteller mit Fehlanwendungen rechnen müssen.«
Die sechs Mitarbeiter der Spielplatzmobil GmbH brauchen meist eine knappe halbe Stunde, um eine Anlage unter die Lupe zu nehmen. »Wir sind zufrieden«, sagt Ladu. »Unsere Auftragsbücher sind voll.«
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