Birke bricht Beton

Lübecker Schau zeigt Fotos aus dem Ruhrgebiet

  • Lutz Gallinat, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Fotoausstellung »Rückeroberungen« von Wolfgang Blockus im Lübecker Industriemuseum lässt den Besucher ein altes Industriegebiet neu entdecken. Zu sehen sind ungewöhnliche Aufnahmen aus dem Jahre 2010 vom Landschaftspark Duisburg-Nord und der Zeche Zollverein in Essen.

Der Maler und Fotograf Wolfgang Blockus entführt mit seiner Ausstellung »Rückeroberungen« ins Ruhrgebiet. Dort ist man sehr stolz auf die industrielle Vergangenheit und identifiziert sich auch heute, nachdem die klassische Schwerindustrie zu einem bedeutenden Teil verschwunden ist, mit den industriellen Hinterlassenschaften. In den 1990er Jahren wurde im gesamten Ruhrgebiet die »Internationale Bauausstellung Emscherpark« veranstaltet, im Fokus stand die Umnutzung von Industriegebäuden. Viele interessante und spannende Projekte sind daraus entstanden. Der naturverbundene Künstler ist begeistert von der erfolgreichen Rückeroberung des brachliegenden Industriegeländes durch die Natur. Gräser und Moose überwuchern nutzlos gewordene Gleisanlagen. Birken und Weiden zwängen sich in Ritzen und Fugen der Stahlbauten mit dem festen Vorsatz, die panzerartigen Eisenplatten und dicken Betonbrocken der Schwerindustrie zu sprengen.

In den Arbeiten von Blockus wird aber auch die Umwidmung einer bizarren Industrie-Restarchitektur in neue Anlagen der Freizeitgestaltung deutlich sowie die Schaffung von kulturellen Einrichtungen wie Museen und Galerien auf den ehemaligen Industrieflächen. Schließlich gibt es im Ruhrgebiet zwei dezentrale Museen mit insgesamt 13 Standorten in ehemaligen Industriebetrieben (Rheinland und Westfalen). Dort wird die jeweilige Produktion dokumentiert und auch teilweise noch präsentiert. Das interessanteste Beispiel ist die Gesenkschmiede Hendrichs in Solingen, wo Rohteile für die Scherenproduktion hergestellt wurden. Das Werk wurde praktisch direkt nach seiner Stilllegung 1986 als Museum weitergeführt. Ehemalige Arbeiter setzen ihre bisherige Tätigkeit nun im Museum vor.

Nicht zuletzt diese Rückbesinnung auf das industrielle Erbe war der Grund, warum Essen - und mit ihm das gesamte Ruhrgebiet - 2010 zur Kulturhauptstadt Europas gekürt wurde. Die beiden »industriekulturellen Leuchttürme«, mit denen Blockus in seiner Lübecker Ausstellung bekannt machen will, sind der Landschaftspark Duisburg-Nord und die Zeche Zollverein in Essen. Die meisten Gebäude, die in den 90er Jahren von berühmten Architekten umgestaltet wurden, werden heute neu genutzt. Es entstand ein Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft. Im von Norman Foster umgebauten ehemaligen Kesselhaus befindet sich das Design Zentrum Nordrhein-Westfalen. Neben Galerien und kleineren Designfirmen gibt es Restaurants und Läden.

Während sich Blockus vor allem mit der Industriekultur befasst, begeistert sich seine Ehefrau Michaela Berning-Tournier für die Farben des Rostes. Einige ihrer Bilder ergänzen die Ausstellung. Die Künstlerin hat sich auf die Schaffung von fiktiven Porträts, in denen sie auch eine Lebensgeschichte mitteilt, und auf Landschaftsmalerei konzentriert. Vor allem arbeitet sie mit Aquarellen, von denen auch in dieser Ausstellung, die noch bis zum 10. Februar 2013 dauert, einige zu sehen sind.

Fotoausstellung »Rückeroberungen« von Wolfgang Blockus; Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk, Lübeck, Kokerstraße 1-3, Fr 14-17, Sa/So 10-17; Telefon.: 0451-301152; Internet: www.die-luebecker-museen.de

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