Irgendwann reißt das Gummiband

Thomas de Maizière zu weiteren möglichen Unterstützungsleistungen in Mali

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Gegenüber der aktuellen Situation in Mali waren die Operationen der USA beim Krieg gegen Irak geradezu transparent. Was die Welt zu wissen hat, sagen fast ausschließlich französischen Presseoffiziere. Derzeit wird berichtet, dass französische und einheimische Einheiten auf dem Vormarsch sind. Die Stadt Diabali sei rückerobert.

Französische Kampfjets »säubern« gemeinsam mit Hubschraubern den Weg der Bodentruppen. Am Sonntag hatte man ein Dutzend Angriffe gegen mutmaßliche islamistische Extremisten geflogen und dabei zahlreiche Fahrzeuge zerstört. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian behauptet, es habe »vermutlich« keine zivilen Opfer, wohl aber erhebliche Verluste bei den Feinden gegeben. Zugleich benannte Le Drian die Kriegsziele, mit denen er seine Truppen ins Feld schickte. Endziel sei, ganz Mali unter Kontrolle zu bekommen. Man wolle den Widerständlern kein Rückzugsgebiet überlassen, sagte er dem TV-Sender France 5. Der Anfang wäre gemacht, nun müssten die Truppen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS möglichst rasch den Rest besorgen.

Dieser Rest kann dauern und viele Opfer kosten. Die Kämpfer im Norden sind nicht nur hochmobil und vor allem dank der Schmuggelrouten aus Libyen bestens bewaffnet. Sie haben solide ausgebildete Militärs auf ihrer Seite, beherrschen die Methoden des verdeckten Kampfes. Jüngst erklärte ein Oberst der malischen Armee, man sei sicher, dass die Islamisten sich sogar die Bärte abrasieren, um in den von den Franzosen rückeroberten Städten unbemerkt untertauchen zu können. Um blitzartig zuzuschlagen, hat man vorsorglich gut getarnte Depots angelegt.

Bislang waren die Kosten für die internationale Unterstützungsmission für die »Rettung Malis« auf 150 bis 200 Millionen Euro geschätzt worden. Die EU will sich mit 50 Millionen Euro beteiligen. Das wäre aber ein Tropfen im Wüstensand. ECOWAS stockte nun den Finanzbedarf auf: 500 Millionen Dollar (375 Millionen Euro) seien eine »erste Schätzung«, sagte Kommissionschef Cadré Désiré Ouédraogo.

Am 29. Januar findet eine Geberkonferenz in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba statt, dann soll über einen möglichen neuen Finanzrahmen entschieden werden. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat bereits vage weitere Finanzhilfen zugesagt. Er sagte nicht, aus welchem Etat er das Geld nehmen will und wie er das Parlament an der Entscheidung beteiligen wird.

Insgesamt, so scheint es, wird die Debatte zum Mali-Einsatz in Deutschland noch relativ unbedarft geführt. Nachdem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Wochenende sagte, er glaube nicht, dass irgendjemand die Entsendung von zwei Bundeswehr-Transall-Maschinen, mit denen ECOWAS-Soldaten in die Hauptstadt Bamako geflogen werden, für den deutschen Beitrag halte, assistierte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold, Deutschland müsse bei der Unterstützung mehr wollen als die bislang geplante Minimallösung.

Sofort wurde kolportiert, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) habe sich deutlich gegen Forderungen nach mehr deutscher Unterstützung gewandt und Lammert widersprochen.

Der Verteidigungsexperte und Journalistenkollege Thomas Wiegold hat de Maizière am Wochenende beim Koblenzer Forum zur Verteidigungspolitik anders erlebt. Da ließ der Minister alles offen und hielt Spekulationen über das, was sein wird, »für unangemessen«. Lediglich die Teilnahme an Kampfeinsätzen schloss er weiter aus. Man werde bald über den deutschen Beitrag zur Ausbildungshilfe für die malische Armee beschließen. Wer immer was anderes behauptet - zwischen ihm und seinem französischen Kollegen, mit dem er in der vergangenen Woche sowohl in größerem Kreis wie unter vier Augen gesprochen habe, gebe es keine Divergenzen.

Minister de Maizière mahnte mehr »politische Führung« an. Das schließe »ein gewisses Maß an Unpopularität« ein. Dennoch müsse man die Unterstützung der Bevölkerung anstreben. De Maizière nutzte den Vergleich mit einem Gummiband. Das könne man »ganz schön auseinanderziehen« und sagen, das geht noch und das auch ... Dabei baue sich Spannkraft auf ,und irgendwann reiße das Band. Niemand könne sagen, wann das passiert. Daher sei es eine Aufgabe für die politische Führung, Verständnis für die internationale Lage und die Rolle Deutschlands zu erzeugen. Das brauche Zeit und müsse Schritt für Schritt geschehen.

Auch de Maizière hat die kommende Bundestagswahl im Blick. Ihm ist klar, dass Bundeswehr-Auslandseinsätze bei den deutschen Wählern wenig Unterstützung genießen. Niemand weiß zudem, wie sich die Lage in Afghanistan und speziell im deutschen Nordsektor entwickelt, der für den Abzug von besonderer Bedeutung ist. Auch der Bürgerkrieg in Syrien kann zu plötzlichen Maßnahmen der NATO führen, denen sich Deutschland und die Bundeswehr nicht verweigern werden.

Der Minister betonte, dass Entscheidungsprozesse in einer parlamentarischen Demokratie immer etwas mehr Zeit brauchen als in einer präsidialen, die in Frankreich herrscht. Indirekt deutete er damit offenbar an, dass die Bundesregierung sich um ein Bundestagsmandat für einen erweiterten Mali-Einsatz deutscher Truppen bemühen müsse.

Um die entsprechende Mehrheit ist dem Minister nicht bange: Der Bundestag hat noch kein einziges von der Regierung vorgelegtes Mandat für einen militärischen Auslandseinsatz abgelehnt.

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