Commerzbank im Krisenmodus
Vorstand konkretisiert Stellenabbaupläne - und macht den Betriebsrat »stinksauer«
Die teilverstaatlichte Commerzbank hat ihre Stellenabbaupläne konkretisiert: Der Vorstand will zwischen 4000 und 6000 Vollzeitarbeitsplätze im In- und Ausland bis 2016 streichen. Das wäre fast jeder siebte Job. Die Pläne waren schon seit November in Grundzügen bekannt: Betriebsrat und die Gewerkschaft ver.di haben ihren Widerstand angekündigt.
Die Commerzbank hatte 2008 den größeren Konkurrenten Dresdner Bank vom Versicherungskonzern Allianz übernommen und sich mitten in der Finanzkrise verhoben. Sie brauchte deswegen Geld vom Staat. Dieser hält seither etwas mehr als ein Viertel der Anteile an der Commerzbank. Auf Mandate im Aufsichtsrat verzichtete die Bundesregierung allerdings. Im Prozess der Fusion tauchten dann immer wieder neue Schwierigkeiten auf, die viele Gewerbekunden verärgerten. Vertrauen wurde auch im Privatkundengeschäft verspielt: So wurde die Commerzbank öfter in Zusammenhang mit schlechter Beratung von Sparern oder Studenten gebracht. Wenig Glück hatte der Vorstand auch mit früheren strategischen Entscheidungen. 2012 zog man sich dann aus der gewerblichen Immobilienfinanzierung zurück und nach fast 100 Jahren auch aus der Schiffsfinanzierung, wo man die weltweite Nummer drei war. Zudem belastet die Staats- und Immobilienfinanzierungstochter Eurohypo. Und auch das Massengeschäft läuft nicht so, wie Chef Martin Blessing sich das vorstellt. Eingequetscht zwischen dem Investmentprimus Deutsche Bank, billigem Internetbanking und dem dichten Filialnetz der Sparkassen sucht die Bank nach ihrer Marktlücke.
Im Zuge der neuen Konzernstrategie wolle das Unternehmen Kosten sparen, sagte ein Sprecher. Der Konzern beschäftigt gut 55 000 Mitarbeiter in Deutschland und im Ausland. Der Stellenabbau träfe etwa 15 Prozent der deutschen Belegschaft. Aus der Übernahme der Dresdner Bank sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2013 ausgeschlossen.
Der Betriebsrat erfuhr erst aus den Medien von der offiziellen Ankündigung, 4000 bis 6000 Stellen abzubauen. Man sei »stinksauer«. Auch ein Teil der 1200 Filialen dürfte geschlossen werden. Dabei setzt Blessing auf einen Ausbau der verblieben Filialen, dafür soll eine Milliarde Euro investiert werden. »Wir sind dabei, Vertrauen zurückzugewinnen«, warb Vertriebsvorstand Martin Zielke erst vor wenigen Tagen um die Gunst der elf Millionen Kunden, die aus Sicht der Bank zu wenig einbringen.
Dass dies durch drastischen Personalabbau gelingen kann, bezweifelt hingegen die Gewerkschaft. Das Privatkundengeschäft der Commerzbank sei dabei, sich »positiv zu entwickeln«, hatte ver.di-Bundesvorstand Beate Mensch schon bei Bekanntwerden erster Streichungspläne kritisiert. Aus internen Bankkreisen in Frankfurt erfuhr »nd«, dass es der Bank besser gehe als angenommen: Blessing verfüge danach über einen Finanzpuffer von 16 Milliarden Euro, der aber zurückgehalten werde, um im Fall einer Griechenlandpleite nicht wieder vom Staat gerettet werden zu müssen. »Es geht nicht um die Leute«, klagt der Insider, »sondern um die Reputation der Vorstände und deren Gehälter.«
Offiziell geht es Commerzbank-Chef Blessing um Flexibilität: Er wünscht sich längere Öffnungszeiten, einen Verkauf auch am Sonnabend und Mitarbeiter, die je nach Bedarf in zwei oder drei Filialen tätig sind. Das wäre in der Bankenbranche ein Dammbruch.
Rotstift anderswo
Auch bei anderen Finanzhäusern gibt es Stellenabbaupläne. So will die HypoVereinsbank dieses Jahr in Deutschland laut »FAZ« rund 600 Arbeitsplätze streichen. Die Bank wolle mehr als ein Dutzend Filialen schließen, hieß es. Außerdem macht die Allianz-Bank dicht. Der Versicherungskonzern teilte am Donnerstag mit, das 2009 gegründete Kreditinstitut habe die Wachstumserwartungen nicht erfüllt und schreibe weiter rote Zahlen. Deshalb werde der Betrieb zum 30. Juni eingestellt, bundesweit fielen rund 450 Arbeitsplätze weg. Die Allianz will künftig das Bankgeschäft über die Versicherungsagenturen ausbauen. dpa/nd
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