Journalismus stiften?
Der grüne Medienexperte Oliver Keymis über Rettungspläne für Zeitungen
nd: Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen plant die Einrichtung einer Stiftung für »Vielfalt und Partizipation«, die Qualität und Unabhängigkeit bei der Produktion von Medieninhalten sicherstellen soll. Glaubt man einschlägigen Online-Portalen, ist der Zug für die gedruckte Zeitung längst abgefahren.
Keymis: Das glaube ich nicht. Durch die Entwicklung im Internet, in dem es Medienangebote oft kostenlos gibt, sind die gedruckten Zeitungen und Zeitschriften wirtschaftlich unter Druck geraten. Es gibt Zeitungen, die sich gut verkaufen, indem sie stark in die Regional- und Lokalberichterstattung auch personell investieren. Man darf nicht vergessen, dass es immer noch viele Menschen gibt, die nicht mit den digitalen Medien aufgewachsen sind und die daher lieber zur gedruckten Zeitung greifen.
Und für diese Leser wollen Sie die Printzeitung erhalten?
Ja, aber unsere Qualitäts-Initiative bezieht sich auch auf den Online-Bereich. Die geplante Stiftung soll einen Beitrag dazu leisten, die Unabhängigkeit und Qualität der Medien zu gewährleisten, von einer Beschränkung auf die Printmedien kann nicht die Rede sein.
Geschäfte lassen sich für die Verlage derzeit mit den Online-Angeboten kaum machen.
Stimmt. Viele Verlage haben leider zu spät erkannt, dass die Zukunft im Internet liegt. Derzeit gibt es nur wenige Verlage, die mit ihren Online-Angeboten Geld verdienen. Portale wie »Spiegel-Online« zeigen aber, dass dies prinzipiell möglich ist.
Welchen Stellenwert im Medienangebot hat dann noch die Printzeitung?
An ein Aussterben der gedruckten Zeitung glaube ich vorläufig nicht. Leser, die eine Papierzeitung in der Hand halten wollen, wird es weiterhin geben.
Befürchtungen, dass die jüngere Generation, die mit Smartphones etc. aufwächst, sich nicht mehr an die gedruckte Zeitung gewöhnen und daher ihr Fehlen gar nicht bemerken wird, haben Sie nicht?
Doch, aber ich sehe für Zeitungen einen entscheidenden Vorteil: Im Internet muss man sich die Informationen zu den verschiedenen Themen aus einer oft unübersichtlichen Vielzahl von Angeboten zusammensuchen. Das ist meiner Ansicht nach auch weiterhin die Marktlücke für eine Zeitung, die jeden Tag ein breit gefächertes, redaktionell aufgearbeitetes Informationsangebot bietet und damit sozusagen Ordnung in die Nachrichtenflut bringt.
Zeitungen wie der »Frankfurter Rundschau« hat das wenig genutzt.
Stimmt. Die Probleme tauchen dann auf, wenn die Zeitungen in der journalistischen Qualität nachlassen, was oft nicht an den Journalisten liegt, sondern an den Umständen, unter denen sie arbeiten müssen; wie bei der »Frankfurter Rundschau«. Die Inhalte wurden teilweise nicht mehr in Frankfurt selbst produziert. Darunter hat die Leser-Blatt-Bindung gelitten. Ohne diese Bindung wenden sich die Leser nach und nach ab und die Zeitung gerät in existenzielle Gefahr.
Fragen: Jürgen Amendt
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