Längster Streik Spaniens beendet

Schleifmittelhersteller Pferd-Rüggeberg machte Zugeständnisse

  • Ralf Streck, San Sebastian
  • Lesedauer: 2 Min.
Anfang dieser Woche haben die Arbeiter bei der Tochter des deutschen Schleifmittelherstellers Pferd-Rüggeberg den längsten Streik in der Geschichte des spanischen Staates beendet.
745 Tage der Mobilisierung und einer starken Solidarität sind vorbei. Nach über zwei Jahren im Ausstand hat die Mehrheit der Belegschaft von Caballito in der baskischen Stadt Gasteiz (span. Vitoria) ein Angebot von Pferd-Rüggeberg angenommen. Einstimmigkeit gab es nicht: Nur 82 von 117 stimmten zu, weil das Abkommen zur Streichung von 77 Stellen führt. Zuvor hatte die deutsche Firma die größte Kröte geschluckt: die Wiedereinstellung von acht Personen, denen vor und im Verlaufe des Konflikts gekündigt worden war. Kündigungen wegen Schwangerschaft wollten die Arbeiterinnen ebenso wenig hinnehmen wie solche wegen Allergiekrankheiten, die durch Produkte ausgelöst wurden. Die Tariffragen brachten das Fass nur zum Überlaufen. Die Mehrheit der Arbeiter ist zufrieden mit dem Abkommen. »Mehr war nach zwei Jahren nicht drin«, sagte der Betriebsratschef Joseba Leza. Einige wollen ohnehin nicht wieder für Caballito arbeiten. Sie werden finanziell entschädigt. Gekippt wurde auch der Versuch, die 77 Stellenstreichungen bei den 121 bis zuletzt Streikenden vorzunehmen. Wer sich nun aus der gesamten Belegschaft freiwillig für eine Abfindung oder eine Frührente entscheidet, erhält zur Abfindung weitere 13 000 Euro. Die Abfindungen liegen mit 45 gearbeiteten Tagen pro Arbeitsjahr weit über dem, was in Deutschland gezahlt wird. Dafür werden alle weiteren Forderungen abgegolten. Wegen Verstößen gegen das Streikrecht war die Firma zum Beispiel zur Zahlung von 6000 Euro an jeden Arbeiter verurteilt worden. Für alle Beschäftigten wurden Lohnverbesserungen erkämpft, die in den nächsten Jahren über der Inflationsrate liegen. So wiegt es schwer, wenn die Gewerkschaft UGT den Streik als »Niederlage« bezeichnet. Sie hatte ihre Mitglieder zu Streikbrechern gemacht, nachdem es ihr nicht gelungen war, den Streikenden ein Abkommen aufzuzwingen, das hinter deren Rücken ausgehandelt worden war. So konnte im Sommer 2004 ein Teil der Produktion wieder aufgenommen werden, was nach Ansicht der Streikenden den Konflikt unnötig verlängerte und ein besseres Ergebnis verhinderte. Der beispiellose Streik war von großer Solidarität begleitet gewesen. Er dauerte so lange, obwohl nur die Gewerkschaft ELA Streikgeld zahlte. 2,6 Millionen Euro hat es sie gekostet, ihre Streikkasse ist leer. Die Solidarität anderer Betriebe, Solidaritätskonzerte, Sammlungen in Kneipen, Versteigerungen von Trikots etwa von Sportvereinen ermöglichten es den Arbeitern, dem ökonomischen Druck standzuhalten. Sie setzten einer Firma Grenzen, die ständig auch mit der Verlagerung der Produktion drohte. Pferd-Rüggeberg galt als Prototyp eines »gefährlichen und aufwiegelnden« Unternehmers. Wenn der durchkomme, bedeute das den »Abbau gewonnener Rechte«, erklärten die baskischen Gewerkschaften. Ganz anders sahen das die Kollegen in Deutschland: Als die Streikenden das Stammwerk besuchten, wurden sie vom IG-Metall-Betriebsrat nicht einmal empfangen.
Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.