Uran aus dem Grünland
Dänemark will Abbau auf der größten Insel der Welt genehmigen
Allein im grönländischen Fördergebiet Kvarnfeld sollen die fünftgrößten Uranbestände der Welt schlummern. Doch die starken dänischen Kernkraftgegner haben deren Ausbeutung in den vergangenen Jahrzehnten verhindert. Ausgerechnet die derzeitige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning Schmidt signalisiert nun eine größere Offenheit als ihr bürgerlicher Amtsvorgänger und derzeitige Oppositionsführer Lars Lokke Rasmussen von der rechtsliberalen Venstre. Auch die Koalitionspartner der Sozialdemokraten von der sozialliberalen Radikalen Venstre wollen Grönland den Uranabbau und -export erlauben.
Beide Parteien machen dafür zur Bedingung, dass internationale Konventionen zum Uranabbau und -export genauestens eingehalten werden. »Der legale Rahmen für Uranförderung und -export kann ausgenutzt werden«, sagte Möller Mortensen Flemming, Grönlandsprecher der Sozialdemokraten, gegenüber der Zeitung »Politiken«. Ähnlich sieht es Rasmus Helveg Petersen vom Koalitionspartner. Man könne den Grönländern nicht in kolonialer Manier das erst 2009 zuerkannte Recht auf die selbstständige Verwaltung ihrer Rohstoffe nachträglich wieder aberkennen.
Die rechtsliberale Venstre hält dagegen an der Ablehnung fest. »Wie sollen wir wirklich sicherstellen, dass grönländisches Uran nicht plötzlich in einer iranischen Atombombe endet«, warnte etwa Gitte Lillelund Beck. Auch die Rotgrüne Einheitsliste lehnt die Genehmigung ab. Doch damit bleiben die beiden Parteien im Folketing in der Minderheit.
Die Initiative zum Uranabbau geht von den teilautonomen Grönländern selbst aus. Die Insel ist noch immer sehr arm. Kopenhagen schießt mehr als die Hälfte des grönländischen Staatshaushaltes (rund 430 Millionen Euro) hinzu. Kopenhagen finanziert das Rechtswesen und die Polizei für die nur knapp 56 800 Einwohner. Der Rest der bescheidenen Einnahmen der größten Insel der Welt kommt vor allem aus dem Krabbenfang.
Zwar herrscht auch bei Grönländern Uneinigkeit bezüglich der Förderung von radioaktivem Uran. Doch das Autonomieparlament in der Hauptstadt Nuuk hat im Dezember mehrheitlich ein Gesetz erlassen, das bisherige Einschränkungen aufhebt, um ausländische Minenunternehmen anzulocken. In den letzten Jahren ist das Interesse internationaler Gesellschaften erheblich. Das dünn besiedelte Land erwägt derzeit gar, Tausende von chinesischen Billigarbeitern zu »importieren«, um so über genügend Arbeitskraft zu verfügen.
Einer Mehrheit der Grönländer ist ihre Unabhängigkeit von Dänemark derzeit anscheinend wichtiger als andere Bedenken. Und finanzielle Unabhängigkeit kann das Land nur mit der Ausbeutung der Bodenschätze erreichen. »Wenn alle möglichen anderen Länder Uran verkaufen können, können wir das auch«, sagte Jens Frederiksen, Vizevorsitzender der grönländischen Autonomieregierung, der Zeitung »Politiken«. Man werde aber eng mit Dänemark zusammenarbeiten und alle Sicherheitsanforderungen berücksichtigen.
Das sieht auch die Opposition so. »Ich hoffe, dass wir bald Uran fördern dürfen. Das ist uns lieber als ein Grönland, das zu einem Open-Air Museum wird«, sagte Doris Jakobson von der oppositionellen Siumut.
Laut einer Übereinkunft von 2009 zwischen Dänemark und seiner vormaligen Kolonie dürfen die Grönländer zwar bei der Nutzung ihrer Bodenschätze und vielen anderen innenpolitischen Fragen selbst entscheiden. Außenpolitisch werden sie noch immer von Kopenhagen vertreten. Doch auch die globale Rolle Dänemarks wird sich mit dem Export von Uran ändern. »Die Genehmigung des Uranabbaus durch Kopenhagen wird ein Wendepunkt in der Außenpolitik Dänemarks sein«, sagt Uran-Expertin Cindy Vestergaard vom dänischen Institut für Internationale Studien voraus. »Bei der Aufhebung des Uranverbots wird Dänemark in den weltweiten Atomkreislauf katapultiert. Und das direkt als einer der weltweit einflussreichsten Akteure.«
nd-Karte: Wolfgang Wegener
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