Europa wählt sein giftigstes Wertpapier
Ein Wettbewerb soll zum Verbot gefährlicher Finanzprodukte beitragen
»Rohstoffe werden knapp, dazu zählt vor allem Wasser - die Quelle des Lebens«, wirbt ein Kapitalanlage-Portal für die Beteiligung an einem Wasserfonds. Mit einer festen jährlichen Auszahlung von 15 Prozent sollen Anleger von der Privatisierung des Wassermarktes profitieren können. Doch was für deutsche Investoren eine sichere Geldanlage ist, kann in anderen Teilen der Welt Verteilungskämpfe bis hin zum Krieg auslösen.
Auf Grund der Gefahren, die solche Wasserfonds für viele Menschen darstellen können, steht diese Investitionsmöglichkeit nun auf einer Liste von Vorschlägen zur Wahl der »Gefährlichsten Finanzprodukte Europas«. Der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold hatte diesen Wettbewerb Mitte Januar 2013 zusammen mit der Hilfsorganisation Share und den Globalisierungskritikern von WEED ins Leben gerufen.
Bis 15. Februar noch können Bürger, Organisationen, Unternehmen, Geschädigteninitiativen und Verbraucherschützer begründete Nominierungsvorschläge für gefährliche Finanzprodukte über eine Webseite einreichen. Danach wählt eine Expertenjury drei Produkte aus, unter denen man eines zum schädlichsten Finanzprodukt Europas wählen kann. Der Sieger kann eine Reise zur Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde ESMA in Paris gewinnen, um mit deren Chef Steven Majoor diskutieren zu können, wie mit dem Siegerprodukt umgegangen wird.
Die 2011 geschaffene Behörde hat die Möglichkeit, besonders toxische Anlagemöglichkeiten zu verbieten. Doch ist das noch nie geschehen. Nur sogenannte ungedeckte Leerverkäufe wurden durch eine EU-Verordnung verboten.
»30 gute Vorschläge wurden bereits gemacht«, freut sich Sven Giegold über die große Resonanz auf sein Wettbewerb. Viele Ideen seien von Finanzexperten gekommen. Mit dem Wettbewerb will Giegold undurchsichtige, gefährliche Finanzprodukte, die in Europa gehandelt werden, ermitteln und Druck auf EU-Kommission und ESMA machen, dass diese Produkte nun endlich verboten werden. Denn viele von ihnen bergen unkalkulierbare Risiken für Mensch und Natur.
Auch für Anleger können Finanzprodukte gefährlich sein. Einige von ihnen suchen regelmäßig die Beratung der Verbraucherzentralen auf, erzählt Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen. Leider sei es dann meist schon zu spät und die Menschen müssten sich beraten lassen, wie sie ihre Rechte durchsetzen können.
Finanzprodukte sind für Verbraucher dann gefährlich, wenn sie über deren Rendite, Sicherheit oder das Verkaufsinteresse nicht umfassend informiert oder sogar getäuscht werden. »Dann drohen Fehlentscheidungen mit hohem Lehrgeld oder sogar der Verlust der privaten Altersvorsorge«, erklärt Müller. Deswegen ist er einer der fünf Jurymitglieder, die die Vorschläge für die Wahl zum gefährlichsten Finanzprodukt auswählen. Für ihn braucht es neben einer Regulierung der Finanzmärkte auch ein stärkeres Bewusstsein der Verbraucher.
Die bislang Nominierten
Spekulationen mit Asset Backed Securities (ABS) haben vor mehr als fünf Jahren die Finanz- und Bankenkrise ausgelöst, deren Verwerfungen zur Eurokrise führten. Deshalb wurden sie zur Wahl zum »gefährlichsten Finanzprodukt Europas« vorgeschlagen. Auch sogenannte Credit Default Swaps (CDS) stehen auf dieser Liste. Mit ihnen können Ausfallrisiken von Krediten oder Staatsanleihen begrenzt werden. Im Rahmen der Staatsschuldenkrise spekulierten Finanzjongleure mit ihnen auf die Pleite von europäischen Staaten. Andere toxische Anlagen, etwa Lebensmittelspekulationen oder Wetten auf einen steigenden Uranpreis können massive Auswirkungen auf die Menschen in armen Ländern oder die Umwelt haben, weshalb sie für den Negativpreis nominiert wurden. spo
Der Wettbewerb im Internet: www. gefaehrlichstes-finanzprodukt.eu
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.