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Krisenherde bestimmen die Agenda

Fast eine Million Euro Steuergelder fürs private Strategietreffen von Politik, Militär und Rüstung

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 5 Min.
USA-Vizepräsident Joe Biden hat am Freitag bei einem Kurzbesuch in Berlin vor seiner Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz die Bedeutung der Partnerschaft mit Europa hervorgehoben.

Zumindest eines haben die anstehende Berlinale, die internationalen Berliner Filmfestspiele, und die gestern eröffnete Siko, die Münchener Sicherheitskonferenz, gemeinsam: Sie brauchen Gaststars, um die mediale Aufmerksamkeit zu erhöhen. An der Isar soll in diesem Jahr dafür der USA-Vizepräsident sorgen. Der Auftritt von Joe Biden gilt als außenpolitischer Auftakt für die zweite Amtszeit von Präsident Barack Obama, hatte aber bei einem Treffen mit Angela Merkel im Berliner Kanzleramt ein Vorspiel. Beide bekannten sich zur engen Partnerschaft zwischen Europa und den USA, wobei Merkel große Hoffnungen auf ein Freihandelsabkommen zwischen den größten Wirtschaftsräumen der Welt setzt und auf eine gemeinsame Regulierung der internationalen Finanzmärkte hofft.

Am heutigen Sonnabend ist Biden der prominenteste Gast in einer hochrangig besetzten Runde in München mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Mit seinem Besuch unmittelbar nach der erneuten Inauguration Obamas wolle das Weiße Haus vor allem zeigen, dass ungeachtet der propagierten verstärkten Hinwendung nach Asien »Europa nach wie vor der zentral wichtigste Partner der USA ist«, glaubt Siko-Chef Wolfgang Ischinger. Nach der Nominierung des neuen außen- und sicherheitspolitischen Teams erwartet er nun wichtige politische Impulse aus Washington. Große Reden habe der Präsident schon genügend gehalten, nur habe er die von ihm selbst geweckten Erwartungen dann nicht erfüllen können. Angesichts der angespannten Haushaltslage in den USA ist allerdings auch wahrscheinlich, dass Biden die NATO-Partner zu einem stärkeren Engagement im Bündnis, sprich höheren Militärausgaben auffordern wird.

Zum Konferenzauftakt nach der Eröffnung durch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière am Freitagnachmittag gab es u.a. eine Debatte über Energiepolitik mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger, Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain und dem Aufsichtsratschef des Ölkonzerns Shell, Jorma Ollila. Weil die USA künftig durch neue Verfahren mehr Öl und Gas im eigenen Land fördern könnten, erwartet Ischinger bei sinkender Abhängigkeit der USA von Rohstoff-Importen Auswirkungen auf die Sicherheitslage etwa am Persischen Golf.

Geostrategische Interessen prägen auch die Entwicklung in den Krisen- und Kriegsgebieten Mail und Syrien, die wie der Dauerstreit um Teherans Nuklearprogramm die Diskussionen auf dem Konferenzpodium sowie am Rande der Sicherheitskonferenz prägen dürften. So werden der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Lakhdar Brahimi, der Präsident des Syrischen Nationalrates, Moaz al Khatib, sowie der Chef der Menschenrechtgruppe Human Rights Watch, Ken Roth, Optionen für eine Beendigung der Kämpfe in Syrien erörtern. Man darf nach den jüngsten Luftangriffen gespannt sein, wie kritisch die Fragen an Israels Verteidigungsminister Ehud Barack ausfallen.

In diesem Zusammenhang dürfte auch das geplante Vier-Augen-Gespräch Bidens mit Moskaus Außenminister Lawrow interessant werden. Ischinger ist sich sicher, dass es mit Blick auf den syrischen Bürgerkrieg ohne ein verbessertes amerikanisch-russisches Verhältnis keine Fortschritte geben werde. Ähnlich verhält es sich mit dem iranischen Atomprogramm. Hier erhöhten die USA jetzt den Druck auf Teheran. Der designierte Pentagon-Chef Chuck Hagel hat bei seiner Anhörung im Senat deutlich gemacht, dass man Iran mit allen Mitteln, auch militärischen, daran hindern wolle, eine Atombombe zu bauen. Das nennt man dann wohl eine Kriegsdrohung.

Aber auch auf anderen Feldern brachte die erste Amtszeit von Obama aus Moskauer Sicht zu wenig Ertrag. Vor allem im Streit um das Raketenabwehrsystem, das die NATO unter Washingtoner Führung installiert, gibt es seit Monaten keine Bewegung. Russland fühlt sich von den Plänen bedroht und verlangt stärkere Mitsprache, nachdem auf dem Lissaboner Gipfel der Allianz 2010 eigentlich eine Zusammenarbeit vereinbart worden war. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen START-Vertrages über die Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen fehlen zudem bei der atomaren Abrüstung Fortschritte.

Abrüstungsbefürworter der Kampagne »atomwaffenfrei.jetzt« haben Bundesaußenminister Westerwelle jetzt in einem Offenen Brief aufgefordert, sich in München für einen Abzug der US-amerikanischen Kernwaffen aus Deutschland einzusetzen. Zudem solle er die Modernisierung der in Europa stationierten, nicht-strategischen B61-Nuklearwaffen thematisieren. Denn damit mutiere eine taktische zur strategischen Waffe, aus einer »dummen«, frei fallenden Atombombe werde eine zielgesteuerte Präzisionswaffe - was sich negativ auf die Verhandlungen mit Russland über die Transparenz seiner taktischen Atomwaffen auswirken werde.


Rekorde im »Bayrischen Hof«

Über 400 Teilnehmer aus rund 90 Ländern - so viele wie noch nie - werden in diesem Jahr zur Sicherheitskonferenz in München erwartet, darunter mehr als 70 Regierungsdelegationen. Die Siko gilt als international größtes Treffen von Sicherheitspolitikern, Militärs und Rüstungsindustriellen. Da hier keine Dokumente verabschiedet und Beschlüsse gefasst werden müssen, kann über viele Fragen vergleichsweise offen diskutiert werden, was oft auch in den Hinterzimmern des Hotels »Bayrischer Hof« geschieht.

Die Bundesregierung sponsert diese private Veranstaltung großzügig mit Steuergeldern, 2013 sind es fast eine Million Euro. Rund 330 Soldaten der Bundeswehr werden die Konferenz beim Aufbau, beim Transport von Delegationen, als Dolmetscher und Sanitäter, beim Betrieb des Medienzentrums und der Onlineredaktion unterstützen. 3400 Polizisten sollen das Tagungshotel weiträumig absperren sowie in und um München die Straßen kontrollieren. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Zusammenstößen mit protestierenden Konferenzgegnern und Friedensaktivisten.

Das Treffen wurde 1962 von dem Verleger Ewald von Kleist ins Leben gerufen. Er wollte mit einer »Wehrkundetagung« den sicherheitspolitischen Austausch zwischen Europa und den USA fördern. Nach Ende des Kalten Krieges wurde sie in »Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik« umbenannt. Sta

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