Steuern gegen Gewalt
Ein Erlanger Ingenieur verweigert Zahlungen ans Amt, weil er das Militär nicht finanzieren will
Erlangen. Wenn Joachim Schneider Argumente für seine Haltung sucht, braucht er derzeit nur die Fernsehnachrichten anzuschalten. Berichte von der französischen Militärintervention in Mali belegen für den 54 Jahre alten Erlanger einmal mehr: »Bestrafende Gewalt wirkt immer eskalierend. Hier geht es nicht um Aussöhnung und Frieden, sondern darum, die Oberhand zu behalten.«
Der promovierte Elektroingenieur und Pazifist engagiert sich dabei auch für gewaltfreie Lösungen in internationalen Konflikten – und setzt dabei auch auf die »Verweigerung von Militärsteuern«. Im Oktober 2012 kam es wegen seiner Verweigerungshaltung bereits zum ersten Prozess vor dem Finanzgericht Nürnberg.
20 Jahre lang hatte Schneider als Elektrotechniker unter anderem Solarmodule entwickelt – doch schon damals war ihm nicht immer ganz wohl dabei: »Ich habe gemerkt, dass damit auch militärische Anwendungen verbunden waren.« Inzwischen hat er eine Kehrtwendung in seinem Leben vollzogen: Er gab seine gut dotierte Ingenieursstelle auf und arbeitet nun nebenberuflich als Friedensarbeiter bei der katholischen Friedensbewegung Pax Christi im Bistum Bamberg.
In Vorträgen kritisiert er Drohnenbeschaffung, Rüstungsexporte und Atomwaffen-Modernisierung. In Kursen vermittelt er Methoden der gewaltfreien Kommunikation, erläutert Teilnehmern, wie »mit dem Aufbau einer einfühlsamen Verbindung« Wut abgebaut werden kann. »Mit dem Aufbau einer einfühlsamen Verbindung fallen Feindbilder zusammen wie ein Kartenhaus – doch bis dahin braucht es einige Übung«, erläutert der ledige Erlanger. Nach 20 Jahren habe er endlich eine Aufgabe gefunden, die ihn fasziniere.
In einem Punkt aber hadert Schneider weiterhin: »Auch wenn ich jetzt mit einer Teilzeitstelle nicht mehr lohnsteuerpflichtig bin, unterstützen nach wie vor Teile meiner Mehrwertsteuer den Militärapparat der Bundeswehr! Mein Gewissen rebelliert, wenn ich das Töten oder die Tötungsvorbereitung mitfinanziere.« Mit Gleichgesinnten setzt sich Schneider daher schon länger für die Einführung eines sogenannten Zivilsteuergesetzes ein, das diesen Gewissenskonflikt umgeht. Weil das im Bundestag nicht vorankommt, hat Schneider 2011 im Rahmen der Kampagne »Hallo Finanzamt – Steuern gegen Gewalt« einen entsprechenden Antrag an sein Finanzamt gestellt. Nach dessen Ablehnung verweigerte er eine Steuernachzahlung, nahm eine Pfändung in Kauf und stritt vor dem Nürnberger Finanzgericht für den Schutz seines Gewissens. Zwar hatten ihm die Finanzrichter im Oktober 2012 geraten, seine Klage wegen eines Fehlers zurückzuziehen, zugleich aber gaben sie einen Wink, wie der Fall doch verhandelt werden könnte.
Schneider, so versichert dieser glaubwürdig, geht es dabei nicht um einen politischen Schauprozess, um Stimmung gegen die Bundeswehr zu machen: »Für meine schwere Gewissensnot brauche ich vom Finanzamt und den Gerichten eine gewissensneutrale Regelung.« So ernst sei es ihm damit, dass er die Sache bis zum Bundesverfassungsgericht durchfechten wolle, macht der Erlanger deutlich. Er ist der Überzeugung, dass sich das Konzept der gewaltfreien Kommunikation zwischen Individuen auch auf Nationen übertragen lässt – und damit Kriege vermeidbar werden. »Denn auch hinter nationalen Konflikten stehen Menschen, die auf jemand anders wütend sind, etwa weil jemand Grenzen verletzt hat. Frieden unter solchen Bedingungen entsteht, wenn sich Menschen verstanden fühlen mit ihren Anliegen. Erst dann sind sie auch in der Lage, andere Menschen zu verstehen.« Um Konflikte auf internationaler Ebene beizulegen, sollten Fachleute für gewaltfreie Kommunikation in Krisengebiete entsandt werden, »nicht Militärs«, schlägt Schneider vor.
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