Peerblog lässt Druck auf Steinbrück steigen

Kritik an geheim finanzierter Wahlkampf-Seite immer lauter / SPD-Politiker: Kenne die Investoren nicht

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin (nd). Während Peer Steinbrück auf Auslandstournee ist, wächst in Deutschland neuer Druck auf den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten. Wie der „Focus“ berichtet, prüft die Bundestagsverwaltung, ob es sich bei dem Internetportal Peerblog.de um eine verdeckte Form der Parteienfinanzierung handelt. Die Seite war am Wochenende online gegangen und will nach eigener Aussage den SPD-Politiker unabhängig im Wahlkampf unterstützen. Zur Finanzierung, Medienberichten zufolge ein sechsstelliger Betrag, wollte sich das Blog nicht äußern. Es heißt lediglich, das Blog werde „von herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten in Deutschland“ bezahlt.

Steinbrück selbst sagte, er „kenne die Investoren nicht“. Zuvor hatte sein Sprecher Michael Donnermeyer gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ allerdings erklärt, der SPD-Spitzenkandidat kenne „auch eine Reihe der Unterstützer, ob er alle kennt, kann ich nicht abschließend sagen“. Später hieß es, damit habe der Sprecher die Autoren des Blogs gemeint, nicht die geheimen Finanziers. Kritik wird allerdings inzwischen auch immer mehr an den Machern der Internetseite laut.

So hat das Internetportal abgeordnetenwatch.de auf die Hintergründe von Karl-Heinz Steinkühler hingewiesen, der das peerblog.de mitbetreibt. Als Inhaber einer Düsseldorfer Kommunikationsagentur habe er den ehemaligen Finanzminister an die französische Großbank Société Générale als Redner vermittelt. Steinbrück erhielt dafür ein Honorar von 15.000 Euro. „Wie viel Provision die Agentur für diesen Mittlerdienst erhielt, ist nicht bekannt“, schreibt abgeordnetenwatch.de.

Kritik ist auch laut geworden weil Steinkühlers Agentur damit geworben hatte, „einen intensiven Kontakt zu Entscheidern in Politik und Wirtschaft“ zu pflegen und „vertrauensvolle Beziehungen geknüpft“ zu haben, die „stets einen schnellen Zugang ermöglichen“. Das Rechercheblog der WAZ fragte bereits: „Will Steinkühler nun etwa den Kontakt zu Steinbrück verkaufen?“ Und die Ruhrbarone.de schreiben: „Steinkühler ist durch die Undurchsichtigkeit der Finanzierung seiner PR-Aktion für Steinbrück zu einem Kommunikationsrisiko geworden.“

Unterdessen wird auch das offenbar enge nordrhein-westfälische Beziehungsgeflecht angesprochen, dass sich zwischen SPD und Steinkühlers Aktivitäten ausbreitet. Der habe auch hinter dem Blog „Wir in NRW“ agiert, das mediale Wahlkampfhilfe zum Vorteil der SPD im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen leistete - „und später Werbeaufträge für seine neu gegründete Werbeagentur aus dem Haus der neuen NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) und der NRW-Staatskanzlei unter Hannelore Kraft (SPD)“ erhalten habe, wie es im Rechercheblog der WAZ heißt.

Inzwischen haben sich die Grünen skeptisch zu dem Blog und Steinbrücks Verhalten dazu geäußert. „Das geht so nicht“, sagte der netzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagfraktion, Konstantin von Notz, dem „Handelsblatt“. „Den Mangel an Transparenz bei der Finanzierung des Projekts Peerblog sehe ich kritisch.“ Der Parlamentsgeschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen, Volker Beck, schlug vor, die Regeln zur Parteifinanzierung so zu verschärfen, dass unklare Projekte wie das Peerblog künftig nicht mehr zulässig seien.

Der frühere SPD-Wahlkämpfer Albrecht Müller hat derweil auf den nachdenkseiten.de an eine Kampagne der Sozialdemokraten für Willy Brandt in den 1970er Jahren erinnert. Damals sei unter anderem das „Große Geld“ kritisiert worden und der mögliche Einfluss auf die CDU und ihren Kanzlerkandidaten Rainer Barzel. „Anonyme Millionen fließen für Barzel: Was hat er dafür versprochen?“, hatten die Sozialdemokraten damals im Wahlkampf inseriert. Es sei vor allem diese Kampagne gewesen, die „hunterttausende von Menschen dazu bewegt“ habe, so Müller, „sich im Wahlkampf zu engagieren“.

Heute könne zum Beispiel die Linkspartei das Motiv reaktivieren und brauche angesichts der Peerblog-Diskussion um die geheimen Finanziers „nur die entsprechenden Passagen in der früheren SPD Anzeige austauschen“. Müller weiter: „Wie kann man als SPD-Wahlkampf-Manager einen solchen Wahnsinn betreiben?“

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