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König Rabadan und Sardinentod

Skurrile und imposante Karnevalsbräuche in Europa

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.

Sicher, der berühmteste Karneval der Welt findet in der Straße der Prozessionen in Rio de Janeiro statt. Etwas von seinem Glanz und Schwung schwappt alljährlich aber auch auf Europa über. Als Bindeglied zwischen alter und neuer Welt fungiert in der närrischen Zeit die portugiesische Atlantikinsel Madeira. Hier, in der Hauptstadt Funchal, fühlt man sich zwischen 6. und 13. Februar ein bisschen nach Brasilien versetzt, vor allem am Fassnachtssamstag, wenn am Abend bunt geschmückte Festwagen sowie farbenprächtige Samba- und Tanzgruppen sich in Richtung des »Praça do Municipio« (Rathausplatz) bewegen. Bei Temperaturen von rund 20 Grad und einer rauschenden Open-Air-Ballnacht mit Live-Musik stellt sich schnell ein Rio-Gefühl ein. Der Karneval auf Madeira endet mit dem »Cortejo Trapulhão«, dem Narrenumzug, wo oft auf satirische Art Missstände angesprochen werden.

Auch auf der spanischen Kanareninsel Teneriffa findet jedes Jahr ein »Brasilianischer Karneval« statt. In der Hauptstadt Santa Cruz wird zwischen dem 6. und 17. Februar bei heißen Rhythmen gefeiert. Zum Abschluss der tollen Tage verbrennen die Inselbewohner eine Pappsardine. Dieser Brauch, der den Beginn der Fastentage anzeigt, wird auch auf dem spanischen Festland in Barcelona mit der »Beerdigung der Sardine« gepflegt. In melancholischer Stimmung und schwarz gekleidet tragen die Narren den Karneval zu Grabe. In Santa Cruz de la Palma auf der gleichnamigen Kanareninsel gibt es noch einen ganz besonderen Brauch. Hier werden am Rosenmontag die »Rückkehrer aus Amerika«, Umzugsteilnehmer in historischen weißen Kostümen, mit Unmengen von Talkumpuder bestäubt, das sich überall auf Straßen, Sträuchern und Bäumen festsetzt und deren Beseitigung danach oft Tage in Anspruch nimmt.

An der Côte d’Azur, in Nizza, kommen beim diesjährigen Karnevalsumzug rund 20 Tonnen Konfetti und 100 000 Blumen, bei ebenfalls meist frühlingshaften Temperaturen, zum Einsatz. Der farbenprächtige Korso, zu dem auch 180 Pappfiguren gehören, endet auf der Place Massena, wo dann eine gewaltige Party gefeiert wird. Im benachbarten Italien nimmt Venedig für sich in Anspruch, eine der prunkvollsten und ältesten Karnevalsveranstaltungen, deren Ursprünge auf das 12. Jahrhundert zurückgehen, zu feiern. Weltberühmt sind die kunstvollen Masken, die die historisch kostümierten Teilnehmer der zahllosen Bälle an langen Stäben vor ihr Gesicht halten.

Etwas weiter nördlich, im schweizerischen Tessin, gilt die Hauptstadt Bellinzona als Hochburg des Karnevals. Zu Beginn des närrischen Treibens übergibt Bellinzonas Stadtpräsident die Schlüssel der Stadttore an seine »Majestät König Rabadan« (Rabadan ist ein Dialektausdruck für Lärm), der dann für fünf Tage das Sagen hat. Höhepunkt ist dann ein großer Umzug, der »Corteo mascherato«, an dem über 50 Wagen und Gruppen teilnehmen. Auf die ursprünglich religiöse Bedeutung des Karnevals weist im Tessin das Risotto-Essen unter freiem Himmel hin. Die »Risottata« als letzte Völlerei vor der Fastenzeit war als Wohltätigkeitsgeste der Wohlhabenden an die Armen, die sich Reis nicht leisten konnten, entstanden. In ländlichen Gegenden des Tessin erlebt ein altes Gebäck, die »Ravioli di carnevale« seine Renaissance. Bei dem jahrhundertealten Rezept handelt es sich um süße, frittierte und mit Käse angereicherte Maultaschen.

Im Städtchen Binche bei Brüssel findet eines der ältesten Karnevalsfeste statt, das 2003 sogar Aufnahme in die UNESCO-Liste als Weltkulturerbe fand. Hier fallen die »Gilles« durch ihre riesigen, aus rund 300 weißen Straußenfedern bestehenden Kopfbedeckungen auf. Zu ihrer Ausstattung gehören auch Wachsmasken und Holzpantinen sowie ein nicht zu überhörender Schellengürtel. Anstelle von Bonbons werden bei dem Umzug in Binche Apfelsinen an die Zuschauer verteilt.

Etwas Besonderes haben sich die Narren in Dänemark einfallen lassen. Aus wohl vor allem wetterbedingten Gründen verlegten sie die tollen Tage einfach auf Pfingsten - vom 17. bis 19. Mai. Da haben die deutschen Narren ihre Pappnasen schon längst wieder in den Schränken verschwinden lassen.

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