Weißbier gegen Wasser

Beim politischen Aschermittwoch konnte vor allem Kanzlerkandidat Steinbrück punkten

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war um 14 Uhr, als die neun Mitglieder der »Halser Blaskapelle« im Vilshofener Festzelt ihre Blechinstrumente einpackten. Kurz zuvor hatten die rund 5000 Besucher noch den Auftritt von Peer Steinbrück, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die anstehende Bundestagswahl, lautstark beklatscht. Gut, es hatte mehr als eine Stunde gedauert, bis das Nordlicht in Niederbayern wirklich mental angekommen war. Doch die bayerische SPD feierte hier einen Triumph: Zum ersten Mal brachte sie am politischen Aschermittwoch nach eigenen Angaben mehr Anhänger auf die Beine als die CSU. »Ein wundervoller Anblick«, kommentierte so auch Christian Ude, Münchner Oberbürgermeister und bayerischer Spitzenkandidat zur anstehenden Landtagswahl, die gut gefüllten Reihen der Bierbänke. »Wir san die bayerischen Sozis und do san wir daheim«, brachte Ude das neu erstarkte Selbstbewusstsein in Anspielung auf einen Werbespruch des bayerischen Rundfunks auf den Punkt.

Sie hatten sich wirklich Mühe gegeben, die weißblauen Sozialdemokraten. Statt im Bierkeller fand der politische Aschermittwoch heuer in einem extra großen Bierzelt auf dem Volksfestplatz in Vilshofen an der Donau, wenige Kilometer von Passau und der dort versammelten CSU statt. Vor den Linsen der Fernsehkameras und unter den Klängen der Blasmusik marschierten die beiden Spitzenkandidaten, die gleich flugs als künftige Regierungschefs auf Landes- und Bundesebene vorgestellt wurden, in das Festzelt ein und eröffneten den obligatorischen weißblauen Schlagabtausch auf politischer Ebene.

In der Rolle des Kämpfers an der Weißwurstfront fand sich dieses Jahr Florian Pronold, junger Chef der Bayern-SPD. Der Aschermittwoch lebt von kräftigen Auftritten und so bezichtigte er zuerst die CSU, die angeblich 6000 Besucher bei ihrer Veranstaltung gezählt hatte, der »Schmutzelei« - »in die Halle gehen aber nur 3200 Leute rein«, so Pronold. Weitere Schmeicheleien: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sei ein »Wiedergänger aus Wolfratshausen« und die FDP sei »flüssiger als Wasser, nämlich überflüssig«.

Schweifte Pronolds Stimme noch etwas dünn durch das Festzelt, trat Ude auf wie der sozialdemokratische Fels in der Brandung der CSU-Mehrheit. Auf den Weißbiergläsern der Biertische konnte man lesen, dass der Vilshofener Gerstensaft schon seit 1598 nach Rom exportiert wurde, Ude beschwor immerhin die 120-jährige Tradition der SPD in Bayern: »Das macht uns niemand nach.« Bayern sei nicht der »Erbhof und das Besitztum einer Partei«, man wolle kein »flächendeckendes Ellenbogenhausen«, wie es das Leitbild der CSU sei. Über die machte sich Ude vor allem lustig, sie sei gerade dabei, alle Spuren des eigenen Regierungshandelns zu verwischen: von der Befürwortung der Atomkraft über den Finanzausgleich bis hin zu den Studiengebühren. Da sei die CSU sogar »zu doof zum Umfallen«. Die Sozialdemokraten könnten es besser, Themen im anstehenden Wahlkampf seien Mindestlöhne, bezahlbare Mieten, Bildungsgerechtigkeit und sozialer Ausgleich. Ude rief die versammelten Genossen in Vilshofen auf, »die letzten Prozentpunkte, die noch fehlen«, zu holen. Seine aggressive Rede wurde mit anhaltenden »Ude, Ude«-Rufen begleitet.

Um fünf Minuten nach zwölf schließlich der Auftritt von Peer Steinbrück, im Vergleich zu Ude eher tänzelnd und schwänzelnd, es ist schon ein recht unbekanntes Terrain für den Norddeutschen, diese niederbayerischen Ebenen. Gibt es auch Ungläubige hier, fragt er, wenn nicht, sei er ja schon wieder fertig. Ein paar ausgezuzelte Weißwürste an den Biertischen später versichert er, er setze auf »Sieg« und nicht auf eine große Koalition: »Ich will eine rot-grüne Bundesregierung.« Sein historischer Rückblick lässt eher Uneinsichtigkeit erkennen, Gerhard Schröder habe »das Land stabiler gemacht«, wenn auch »hartes Brot« verteilt wurde. Es ist kein wirklicher Applaus, der für diese Umschreibung von Hartz IV aufbrandet. Den gibt es eher, wenn Steinbrück die soziale Karte spielt und »Solidarität statt Ellbogen fordert«. Oder wenn er erinnert, dass Schröder sich dem Irak-Krieg versagt habe. Steinbrück will den Spitzensteuersatz erhöhen und die Bankenregulierung »sehr viel ehrgeiziger als die Bundesregierung« angehen. Die Erwerbstätigkeit der Frauen soll erhöht werden und das bei gleicher Bezahlung. Aber er sagt auch Sätze wie »Wir sagen, was ist, und tun, was zu tun ist. Dann ist Schluss. »Schön war’s«, sagt eine Genossin, als die Bierbänke abgebaut werden.

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